Bewertungsportale: Was sind die Sterne eigentlich wert?

Bewertungsportale und die allgegenwärtigen Sterne-Bewertungen sind aus dem Online-Shopping nicht mehr wegzudenken. Für viele Verbraucher sind sie ein wichtiges Kriterium bei der Kaufentscheidung. Doch leider ist nicht alles Gold, was glänzt – oder in diesem Fall: Nicht hinter jeder 5-Sterne-Bewertung steckt auch wirklich ein zufriedener Kunde. In meiner Kanzlei berate ich täglich Mandanten, die mit negativen Folgen von Bewertungen zu kämpfen haben – sei es als Unternehmen, das ungerechtfertigt schlechtgemacht wird, oder als Verbraucher, der nach einer berechtigten Kritik plötzlich eine Abmahnung im Briefkasten hat. Höchste Zeit also, sich das System der Online-Bewertungen einmal genauer anzuschauen.

Bewertungen sind oft nicht zuverlässig

Eine Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbands aus dem Jahr 2023 förderte Erschreckendes zutage: Bei 27 von 30 untersuchten Anbietern – darunter Apps, Stores, Bewertungsportale, Online-Marktplätze und Webshops – wurden die geltenden Vorschriften zu Kundenbewertungen nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Das bedeutet: Die Anbieter informieren nicht transparent darüber, wie die Bewertungen zustande kommen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Bewertungen aktiv beeinflusst werden.

Die Palette der unseriösen Methoden ist dabei breit: Von Gutscheinen als Belohnung für Höchstwertungen über Anwaltsschreiben an Kunden, die Negatives geschrieben haben, bis hin zu fingierten „Vorab-Bewertungen“ für Produkte, die noch gar keine echten Kundenmeinungen haben. All das ist natürlich nicht zulässig und widerspricht den Vorgaben, die der Gesetzgeber zum Beispiel in der Gewerbeordnung und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gemacht hat. Dort ist klar geregelt, dass Bewertungen echt sein müssen und nicht manipuliert werden dürfen.

Der Handel mit gekauften Sternen

Leider gibt es inzwischen einen regelrechten Markt für gefälschte Bewertungen. Spezialisierte Agenturen bieten Webshops an, ihr Sternerating gegen Bezahlung aufzuhübschen. Die Stiftung Warentest hat das 2020 in einem aufwendigen Test untersucht und kam zu haarsträubenden Ergebnissen: Für 99 Euro konnte man bei diesen Agenturen 10 Fünf-Sterne-Bewertungen kaufen. Die Tester, die sich als Fake-Rezensenten anheuern ließen, wurden angewiesen auf keinen Fall weniger als 4 Sterne zu vergeben.

Zwar sind diese Test-Ergebnisse schon ein paar Jahre alt, aber die dubiosen Agenturen gibt es immer noch. Mit Sprüchen wie „Verwandeln Sie Ihr Geschäftsimage über Nacht“ werben sie schamlos im Internet für ihre Dienste. Für Shopbetreiber mag das verlockend klingen, aber es ist und bleibt illegal. Wer dabei erwischt wird, dem drohen nicht nur Abmahnungen und Unterlassungsklagen der Wettbewerber, sondern auch saftige Bußgelder von den Behörden. Von Imageschäden und Kundenvertrauensverlust mal ganz zu schweigen.

Was Unternehmen tun können

Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sind Fake-Bewertungen ein großes Problem. Oft fehlen Zeit und Personal, um die Rezensionen permanent zu überwachen und gegen Fälschungen vorzugehen. Große Plattformen wie Amazon, die von Fake-Bewertungen besonders betroffen sind, gehen inzwischen rigoros dagegen vor – bis hin zu Gerichtsverfahren gegen die Fälscher-Agenturen. Für kleinere Firmen ist das aber kaum machbar.

Trotzdem sollten Sie Bewertungen nicht einfach ignorieren, sondern sich zumindest stichprobenartig damit auseinandersetzen. Prüfen Sie, ob die Angaben zur Transaktion plausibel sind. Enthält die Rezension Hinweise darauf, dass der Schreiber das Produkt wirklich gekauft und benutzt hat? Achten Sie auch auf Auffälligkeiten wie viele Bewertungen in kurzer Zeit, immer ähnliche Formulierungen oder Häufungen von Fünf-Sterne-Ratings bei wenigen Usern.

Werden Sie misstrauisch, können Sie die Bewertung meist über die Funktionen des Portals melden. Bewertungsportale sind gesetzlich verpflichtet, Beschwerden über Fälschungen nachzugehen und die betroffenen Einträge gegebenenfalls zu löschen. Reagiert das Portal nicht, bleibt Ihnen noch der Weg über eine anwaltliche Abmahnung.

Bei Negativ-Bewertungen, die Sie für ungerechtfertigt halten, ist immer eine sorgfältige Prüfung angeraten. Nicht selten entpuppen sich vermeintliche Fake-Rezensionen als berechtigte Beschwerden unzufriedener Kunden. In solchen Fällen ist die beste Strategie, freundlich und sachlich darauf zu antworten und nach einer Lösung zu suchen. Ein offener Dialog wirkt seriöser und vertrauensbildender als der reflexhafte Griff zum Anwaltsschreiben.

Tipps für Verbraucher

Auch für Verbraucher ist es nicht leicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Ganz auf Bewertungen zu verzichten, ist im Online-Shopping kaum möglich. Mit der richtigen Herangehensweise lassen sich Fake-Rezensionen aber oft erkennen.

Folgende Warnzeichen können auf gefälschte Bewertungen hindeuten:

  • Es gibt kaum oder gar keine negativen Bewertungen.
  • Auffällige Häufung von Fünf-Sterne-Ratings in kurzer Zeit.
  • Viele Rezensionen sind textlich sehr ähnlich formuliert.
  • Der gleiche User hat in wenigen Tagen sehr viele Bewertungen abgegeben.
  • Lange, überschwängliche Erfahrungsberichte (echte Kunden fassen sich meist kürzer).
  • Vor allem teure Produkte haben Höchstwertungen.

Generell gilt: Schauen Sie sich die negativen Bewertungen immer besonders sorgfältig an. Wenn dort wiederholt die gleichen Kritikpunkte genannt werden, ist das ein wichtiger Hinweis. Auch auf die Reaktionen des Anbieters sollten Sie achten. Seriöse Shops gehen auf Beschwerden ein und suchen nach Lösungen.

Wenn Sie selbst eine Bewertung schreiben möchten, beschränken Sie sich möglichst auf Fakten. Schildern Sie sachlich Ihre konkreten Erfahrungen mit dem Produkt oder Dienstleister. Werden dabei Schwächen offenkundig, dürfen Sie diese auch beim Namen nennen, solange Sie nicht unsachlich oder beleidigend werden.

Rechtlich brisant wird es, wenn Firmen versuchen, Kunden mit Abmahnungen oder Klagen unter Druck zu setzen, um unliebsame Bewertungen zu entfernen. Zwar müssen auch Verbraucher bei ihren Äußerungen die Persönlichkeitsrechte der Unternehmer beachten. Die Gerichte gewähren hier aber einen großen Spielraum für Meinungsäußerungen. Solange die Kritik nicht völlig aus der Luft gegriffen ist und in angemessenem Ton vorgebracht wird, müssen Shops sie normalerweise hinnehmen.

Fazit:

So wichtig Bewertungen für den Online-Handel sind, so groß sind leider auch die Missbrauchsmöglichkeiten. Unternehmen und Verbraucher müssen wachsam sein und genau hinsehen. Letztlich lebt das System vom Vertrauen und der Ehrlichkeit aller Beteiligten. Schwarze Schafe, die aus Profitgier Bewertungen fälschen oder unterdrücken, schaden nicht nur dem Wettbewerb, sondern sägen auch den Ast ab, auf dem sie sitzen. Denn auf Dauer funktioniert E-Commerce nur, wenn die Kunden den Bewertungen glauben können.

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