Rechtswidrige Bewertungen bei Kununu: Welche Ansprüche kommen in Betracht?

In unserer digitalisierten Arbeitswelt spielen Online-Bewertungsplattformen wie Kununu eine immer größere Rolle. Für Unternehmen können negative Bewertungen erhebliche Auswirkungen auf die Reputation und sogar auf die Rekrutierung neuer Mitarbeiter haben. Doch was tun, wenn eine Bewertung auf Kununu rechtswidrig ist und das eigene Unternehmen zu Unrecht in ein schlechtes Licht rückt? In diesem Artikel beleuchten wir die rechtlichen Möglichkeiten für Betroffene und stellen aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung vor.

Das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Unternehmensinteressen

Bewertungen auf Plattformen wie Kununu stehen grundsätzlich unter dem Schutz der Meinungsfreiheit, die in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist. Dieses Grundrecht erlaubt es Arbeitnehmern und ehemaligen Mitarbeitern, ihre Erfahrungen mit einem Unternehmen zu teilen und subjektive Einschätzungen abzugeben.

Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht grenzenlos. Sie endet dort, wo die berechtigten Interessen und Rechte des bewerteten Unternehmens verletzt werden. Dies ist insbesondere bei unwahren Tatsachenbehauptungen, Schmähkritik, Beleidigungen und bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten oder Geschäftsgeheimnissen der Fall.

Für Unternehmen ist es entscheidend, zwischen rechtmäßiger Kritik und rechtswidrigen Äußerungen unterscheiden zu können. Eine sachliche negative Bewertung mag unerfreulich sein, begründet aber noch keinen rechtlichen Anspruch. Anders sieht es bei rechtswidrigen Bewertungen aus.

Ansprüche gegen den Verfasser einer rechtswidrigen Bewertung

Wenn eine Bewertung auf Kununu rechtliche Grenzen überschreitet, stehen dem betroffenen Unternehmen verschiedene Ansprüche gegen den Verfasser zu. Hier erläutern wir die wichtigsten im Detail:

1. Anspruch auf Beseitigung und Löschung

Der primäre Anspruch bei rechtswidrigen Bewertungen ist die Beseitigung der rechtsverletzenden Äußerung. Das bedeutet konkret, dass der Verfasser verpflichtet werden kann, die rechtswidrige Bewertung von der Plattform zu entfernen.

Die rechtliche Grundlage hierfür bietet § 1004 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (bei natürlichen Personen) oder dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (bei juristischen Personen). Der Beseitigungsanspruch setzt voraus, dass eine gegenwärtige Rechtsverletzung vorliegt, etwa durch eine unwahre Tatsachenbehauptung oder eine ehrverletzende Äußerung.

2. Unterlassungsanspruch

Neben der Beseitigung kann das betroffene Unternehmen auch die Unterlassung zukünftiger gleichartiger Rechtsverletzungen verlangen. In der Praxis erfolgt dies durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, in der sich der Verfasser verpflichtet, die beanstandete Äußerung nicht zu wiederholen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird eine angemessene Vertragsstrafe vereinbart.

Der Unterlassungsanspruch dient der Vorbeugung weiterer Rechtsverletzungen und ist besonders wichtig, wenn die Gefahr besteht, dass der Verfasser ähnliche Bewertungen auch auf anderen Plattformen veröffentlichen könnte.

3. Materieller Schadensersatz

Rechtswidrige Bewertungen können für Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen, etwa durch:

  • Umsatzeinbußen aufgrund von Rufschädigung
  • Zusätzliche Aufwendungen für Krisenkommunikation
  • Erschwerte Personalgewinnung und dadurch höhere Rekrutierungskosten
  • Rechtsverfolgungskosten (insbesondere Anwaltskosten)

Auf Grundlage von § 823 Abs. 1 BGB (unerlaubte Handlung) kann das geschädigte Unternehmen Ersatz für diese materiellen Schäden verlangen. Allerdings ist der Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen der rechtswidrigen Bewertung und dem eingetretenen Schaden oft schwierig zu führen.

Besondere Bedeutung kommt der Erstattung von Rechtsverfolgungskosten zu. Wenn ein Unternehmen einen Anwalt mit der Durchsetzung seiner Ansprüche beauftragt, können diese Kosten als Schadensersatz geltend gemacht werden.

4. Immaterielle Entschädigung (Schmerzensgeld)

Bei besonders schwerwiegenden Rufschädigungen oder bei der rechtswidrigen Veröffentlichung von personenbezogenen Daten kommt auch ein Anspruch auf immaterielle Entschädigung in Betracht. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die Rechtsverletzung von erheblichem Gewicht ist und nicht anders ausreichend kompensiert werden kann.

Insbesondere im Fall von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die Veröffentlichung sensibler Daten, wie sie etwa in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) definiert sind, kann nach Art. 82 DSGVO ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden bestehen.

5. Anspruch auf Widerruf oder Gegendarstellung

Bei unwahren Tatsachenbehauptungen hat das betroffene Unternehmen zusätzlich einen Anspruch auf Widerruf oder Gegendarstellung. Der Verfasser kann verpflichtet werden, seine falschen Behauptungen ausdrücklich zurückzunehmen oder dem Unternehmen die Möglichkeit zu geben, eine richtigstellende Erklärung zu veröffentlichen.

Der Widerrufsanspruch ist wichtig, weil er über die bloße Löschung hinausgeht und aktiv zur Richtigstellung beiträgt. Allerdings greift dieser Anspruch nur bei unwahren Tatsachenbehauptungen, nicht bei Werturteilen oder Meinungsäußerungen.

Ansprüche gegen die Bewertungsplattform Kununu

In vielen Fällen sind die Verfasser von Bewertungen anonym oder zumindest für das betroffene Unternehmen nicht ohne Weiteres identifizierbar. Daher richten sich rechtliche Schritte häufig gegen die Bewertungsplattform selbst. Folgende Ansprüche kommen gegenüber Kununu in Betracht:

1. Anspruch auf Beseitigung/Löschung

Auch gegenüber der Plattform kann ein Beseitigungsanspruch geltend gemacht werden. Die Rechtsprechung hat hierfür das sogenannte „Notice-and-Take-Down-Verfahren“ entwickelt: Wird die Plattform über eine rechtswidrige Bewertung informiert, muss sie dieser Mitteilung nachgehen und die Bewertung gegebenenfalls entfernen.

Ein wegweisender Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Februar 2024 (Az. 7 W 11/24) hat die Rechtslage für Unternehmen erheblich verbessert. Das Gericht entschied, dass Kununu im Streitfall entweder den Klarnamen des Verfassers herausgeben oder aber die Bewertung löschen muss. Dies stärkt die Position von Unternehmen, die sich gegen rechtswidrige Bewertungen wehren wollen.

2. Auskunftsanspruch bezüglich der Verfasserdaten

In bestimmten Fällen besteht ein Anspruch auf Auskunft über die Identität des Verfassers einer rechtswidrigen Bewertung. Dieser Anspruch ist jedoch durch datenschutzrechtliche Bestimmungen und das Recht auf anonyme Meinungsäußerung begrenzt.

Besonders relevant ist der Auskunftsanspruch bei strafbaren Äußerungen, wie zum Beispiel Beleidigungen oder Verleumdungen. Hier kann über § 14 Abs. 3 TMG (Telemediengesetz) in Verbindung mit den entsprechenden strafrechtlichen Vorschriften ein Auskunftsanspruch bestehen.

Der bereits erwähnte Beschluss des OLG Hamburg stellt klar, dass Kununu vor die Wahl gestellt werden kann: Entweder die Plattform gibt den Klarnamen des Verfassers preis, damit das Unternehmen die Echtheit der Bewertung überprüfen kann, oder die Bewertung muss gelöscht werden. Dies ist eine wichtige Entwicklung in der Rechtsprechung, die die Position betroffener Unternehmen stärkt.

3. Unterlassungsanspruch wegen Verletzung von Prüfungspflichten

Bewertungsplattformen treffen gewisse Prüfungspflichten. Wird Kununu auf eine rechtswidrige Bewertung hingewiesen und kommt die Plattform ihrer Prüfungspflicht nicht angemessen nach, kann ein Unterlassungsanspruch entstehen.

Die Reichweite dieser Prüfungspflichten ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konkretisiert worden. Grundsätzlich muss die Plattform nach einem substantiierten Hinweis des Betroffenen den Sachverhalt prüfen und eine Interessenabwägung vornehmen. Bei offensichtlichen Rechtsverletzungen besteht eine Pflicht zur Löschung.

Praktisches Vorgehen bei rechtswidrigen Kununu-Bewertungen

Die Wahl des richtigen Vorgehens hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hier bietet sich ein stufenweises Vorgehen an:

1. Bewertung rechtlich einordnen

Zunächst sollte geprüft werden, ob die Bewertung tatsächlich rechtswidrig ist oder ob es sich um zulässige Kritik handelt. Eine sorgfältige Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen sowie eine Prüfung des Wahrheitsgehalts sind hierbei entscheidend.

2. Direkte Kontaktaufnahme mit Kununu

In einem ersten Schritt empfiehlt sich häufig die direkte Kontaktaufnahme mit Kununu. Die Plattform bietet ein eigenes Verfahren zur Meldung problematischer Bewertungen an. Hierbei sollte detailliert dargelegt werden, warum die Bewertung gegen Richtlinien verstößt oder rechtswidrig ist.

3. Anwaltliche Abmahnung

Bleibt die direkte Kontaktaufnahme erfolglos, ist eine anwaltliche Abmahnung der nächste sinnvolle Schritt. Diese richtet sich je nach Sachlage an den Verfasser (sofern bekannt) oder an die Plattform. In der Abmahnung werden die Rechtsverletzung dargelegt und die entsprechenden Ansprüche geltend gemacht.

4. Gerichtliches Vorgehen

Als letztes Mittel kommt ein gerichtliches Vorgehen in Betracht. Dies kann in Form eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geschehen, um schnell gegen die rechtswidrige Bewertung vorzugehen. Im Hauptsacheverfahren können dann sämtliche Ansprüche durchgesetzt werden.

Aktuelle Rechtsprechung zu Kununu-Bewertungen

Die jüngere Rechtsprechung hat die Position von Unternehmen gegenüber anonymen Bewertungen auf Kununu gestärkt:

OLG Hamburg, Beschluss vom 08.02.2024, Az. 7 W 11/24

Dieser wegweisende Beschluss stellt klar, dass Unternehmen anonyme Kununu-Bewertungen nicht dulden müssen. Das Gericht entschied, dass Kununu vor die Wahl gestellt werden kann: Entweder die Plattform gibt den Klarnamen des Verfassers preis, damit das Unternehmen die Echtheit der Bewertung überprüfen kann, oder die Bewertung muss gelöscht werden.

Das OLG Hamburg führt aus, dass ein Anspruch auf Unterlassung des weiteren Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertung vorliegt, wenn die Bewertungsplattform nicht den Namen des Verfassers preisgibt.

Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Konsequenzen für den Umgang mit anonymen Bewertungen und stärkt die Rechtsposition betroffener Unternehmen.

OLG Dresden, Urteil vom Januar 2025

Andererseits hat das OLG Dresden in einem neueren Urteil entschieden, dass Kununu eine negative Bewertung nicht löschen muss, wenn die Bewertung inhaltlich zulässig ist und keine offensichtlichen Anzeichen für eine Fälschung vorliegen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer genauen rechtlichen Prüfung im Einzelfall.

Fazit: Individuelles Vorgehen ist entscheidend

Bei rechtswidrigen Bewertungen auf Kununu stehen betroffenen Unternehmen verschiedene rechtliche Ansprüche sowohl gegen den Verfasser als auch gegen die Plattform zur Verfügung. Das sinnvollste Vorgehen hängt dabei stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Die jüngere Rechtsprechung, insbesondere der Beschluss des OLG Hamburg vom Februar 2024, hat die Position von Unternehmen gegenüber anonymen Bewertungen gestärkt. Dies eröffnet neue Möglichkeiten im Umgang mit rechtswidrigen Bewertungen.

Bei anonymen Bewertungen ist oft ein Vorgehen gegen die Plattform selbst der einzig gangbare Weg. Nur im Falle strafbarer Bewertungen besteht eine realistische Chance, über den Plattformbetreiber an die Daten des Verfassers zu gelangen.

Für eine erfolgreiche Durchsetzung der rechtlichen Ansprüche ist eine sorgfältige Prüfung und strategische Vorgehensweise erforderlich. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung durch einen Fachanwalt für IT-Recht ist daher empfehlenswert, um die Erfolgsaussichten zu maximieren und die Reputation des Unternehmens effektiv zu schützen.

Die digitale Arbeitswelt stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen im Bereich des Reputationsmanagements. Mit den richtigen rechtlichen Werkzeugen können sich Unternehmen jedoch effektiv gegen rechtswidrige Bewertungen zur Wehr setzen und ihre berechtigten Interessen wahren.

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