Negative Google-Bewertung? So wehren Sie sich! Ein Urteil des LG Lübeck macht Mut (9 O 59/17)

In der heutigen digitalen Welt sind Online-Bewertungen für Unternehmen, Freiberufler und Dienstleister Fluch und Segen zugleich. Eine positive Rezension kann neue Kunden anziehen, das Image stärken und Vertrauen aufbauen. Eine negative oder gar unwahre Bewertung hingegen kann schnell geschäftsschädigend wirken, den Ruf ruinieren und für schlaflose Nächte sorgen. Besonders ärgerlich wird es, wenn man den Verdacht hat, dass die Bewertung nicht von einem echten Kunden stammt, sondern möglicherweise von einem Konkurrenten, einem verärgerten ehemaligen Mitarbeiter oder schlichtweg von jemandem, der einem schaden will – eine sogenannte „Fake-Bewertung“.

Als Fachanwalt für IT-Recht erlebe ich tagtäglich, wie Mandanten unter solchen ungerechtfertigten Angriffen leiden. Die Frage, die sich dann immer stellt: Was kann man tun? Muss man das einfach hinnehmen? Die gute Nachricht ist: Nein, das müssen Sie nicht! Ein interessantes Urteil des Landgerichts Lübeck vom 13.06.2018 (Aktenzeichen 9 O 59/17) zeigt exemplarisch, wie man sich gegen solche Bewertungen zur Wehr setzen kann und welche Pflichten Plattformbetreiber wie Google in solchen Fällen haben.

Worum ging es in dem Fall vor dem Landgericht Lübeck?

Der Kläger in diesem Verfahren war ein niedergelassener Kieferorthopäde. Auf seinem Google-Profil (das über Google Maps und den damals noch relevanteren Dienst Google+ auffindbar war) erschien eine 1-Sterne-Bewertung. Das Brisante daran: Der Name des angeblichen Bewerters war identisch mit dem Namen des Kieferorthopäden selbst! Weiteren Text oder eine Begründung für die schlechte Bewertung enthielt der Eintrag nicht – nur diesen einen Stern und den verdächtigen Namen.

Der Kieferorthopäde war sich sicher: Diesen „Patienten“ gab es in seiner Praxis nie. Er vermutete einen Identitätsdiebstahl oder zumindest den Versuch, ihn gezielt zu schädigen. Verständlicherweise wollte er diese Bewertung nicht auf sich sitzen lassen.

Die ersten Schritte des Kieferorthopäden – Der Versuch einer außergerichtlichen Klärung

Über seine Rechtsanwälte wandte sich der Kieferorthopäde an Google. In einem Schreiben vom 14.07.2016 beanstandete er die Bewertung und forderte deren Löschung. Er legte dar, dass es keinen Patienten mit diesem Namen gäbe und dass die Bewertung offensichtlich dazu diene, ihm zu schaden. Er forderte Google auf, nachzuweisen, dass der Bewerter tatsächlich Patient bei ihm gewesen sei. Zudem verlangte er, dass Google dem Bewerter die Beanstandung zukommen lässt, ihn zur Stellungnahme auffordert und ihn bittet, den Behandlungskontakt konkret zu beschreiben und zu belegen.

Googles Reaktion – Oder besser: Nicht-Reaktion

Google antwortete zunächst mit einer Standard-E-Mail (vom 21.07.2016). Man könne keinen offensichtlichen Verstoß gegen die Richtlinien feststellen. Google My Business hoste lediglich Inhalte von Drittanbietern und sei nicht Ersteller der Inhalte. Man empfahl dem Kieferorthopäden, strittige Fragen direkt mit der Person zu klären, die die Bewertung veröffentlicht hat – was natürlich schwierig ist, wenn man die Person nicht kennt und einen Identitätsmissbrauch vermutet. Sollte es zu keiner Einigung kommen oder ein Gericht die Rechtswidrigkeit feststellen, möge man die Gerichtsentscheidung zusenden.

Auch ein weiteres Schreiben des Klägers und eine Fristsetzung blieben im Ergebnis erfolglos. Google verwies in einer späteren E-Mail (vom 24.10.2016) erneut darauf, keinen Verstoß erkennen zu können. Die Bewertung blieb online. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Februar 2017 war die 1-Sterne-Bewertung immer noch sichtbar.

Der Gang vor Gericht – Was der Kieferorthopäde forderte

Dem Kieferorthopäden blieb also nichts anderes übrig, als Klage beim Landgericht Lübeck einzureichen. Er forderte, Google zu verurteilen, es zu unterlassen, die besagte 1-Sterne-Bewertung weiterhin öffentlich zugänglich zu machen. Er argumentierte, die Bewertung verletze sein Persönlichkeitsrecht, sei eine unwahre Tatsachenbehauptung und unsachliche Schmähkritik. Sie diene allein seiner Verhöhnung und Verspottung und schade seinem unternehmerischen Ansehen massiv.

Google hingegen beantragte, die Klage abzuweisen. Die Bewertung sei eine zulässige Meinungsäußerung. Der Bewerter könne ja auch auf anderem Wege mit der Praxis in Kontakt gekommen sein (z.B. ein Anruf, ein Versuch, einen Termin zu bekommen). Man treffe keine Prüfpflicht und habe die Bewertung auch nicht als eigene übernommen.

Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck – Ein Sieg für den Kieferorthopäden!

Das Landgericht Lübeck gab dem Kieferorthopäden im Wesentlichen Recht und verurteilte Google, die Verbreitung der 1-Sterne-Bewertung zu unterlassen. Die Begründung des Gerichts ist für Betroffene sehr aufschlussreich und verdient eine genauere Betrachtung:

  1. Verletzung des Persönlichkeitsrechts:
    Das Gericht sah in der 1-Sterne-Bewertung einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kieferorthopäden. Dieses Recht schützt unter anderem die soziale Anerkennung und die (Berufs-)Ehre. Zwar sind Meinungsäußerungen grundsätzlich durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt, aber dieser Schutz findet seine Grenzen, wenn Rechte anderer verletzt werden.
    Interessant ist hier, dass das Gericht auch eine reine Sterne-Bewertung ohne Text als potenziell rechtsverletzend einstuft, wenn ihr jegliche Tatsachengrundlage fehlt. Das Gericht argumentierte, dass ein Durchschnittsnutzer bei einer solchen Bewertung (insbesondere mit dem identischen Namen) zu verschiedenen Schlussfolgerungen kommen könnte:
    • Ein Patient gleichen Namens bewertet schlecht.
    • Ein Patient will anonym bleiben und nutzt daher den Namen des Arztes.
    • Es handelt sich um einen „Fake“, der dem Arzt schaden soll.
      Alle diese Deutungsvarianten seien geeignet, das Ansehen des Klägers negativ zu beeinflussen, zumal solche Bewertungen auch in die Durchschnittsbewertung einfließen, die oft das Erste ist, was Nutzer sehen.
  2. Fehlende Tatsachengrundlage und die „sekundäre Darlegungslast“ Googles:
    Das ist ein ganz entscheidender Punkt! Der Kläger hatte substantiiert dargelegt, dass er keinen Patienten dieses Namens habe. Das Gericht stellte fest, dass es nun an Google gewesen wäre, im Rahmen einer sogenannten sekundären Darlegungslast tätig zu werden. Was bedeutet das?
    Normalerweise muss derjenige, der etwas behauptet, dies auch beweisen. Hier hätte also der Kläger beweisen müssen, dass die Bewertung unwahr ist. Das ist aber oft unmöglich, denn wie soll man beweisen, dass ein Kontakt nicht stattgefunden hat, wenn man den Bewerter nicht kennt?
    Die Rechtsprechung hat für solche Fälle die sekundäre Darlegungslast entwickelt. Wenn der Betroffene (hier der Arzt) nachvollziehbar darlegt, dass kein Behandlungskontakt bestand, und er keine weiteren Informationen zum Bewerter hat, dann trifft die Plattform (hier Google) eine Pflicht, nachzuforschen. Google hätte nämlich, da sich Nutzer mit E-Mail-Adresse registrieren müssen, Kontakt mit dem Bewerter aufnehmen und um eine Stellungnahme oder einen Beleg für den behaupteten Kontakt bitten können.
    Da Google dies nicht ausreichend getan hat und nur pauschal darauf verwies, der Kontakt könne ja auch anders erfolgt sein, ging das Gericht davon aus, dass kein tatsächlicher Bezugspunkt für die Bewertung vorhanden war. Eine Meinungsäußerung ohne jegliche Tatsachengrundlage ist aber in der Regel rechtswidrig, wenn sie in Persönlichkeitsrechte eingreift.
  3. Googles Rolle als „mittelbarer Störer“:
    Google hat die Bewertung nicht selbst geschrieben. Daher ist Google nicht der unmittelbare Täter. Aber Google kann als sogenannter „mittelbarer Störer“ haften. Ein Störer ist, vereinfacht gesagt, jemand, der zwar nicht selbst die Rechtsverletzung begeht, aber willentlich und ursächlich dazu beiträgt, dass sie passiert oder andauert, obwohl er die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hätte, sie zu verhindern.
    Hostprovider wie Google sind grundsätzlich nicht verpflichtet, alle von Nutzern eingestellten Inhalte vorab auf Rechtsverletzungen zu überprüfen. Das wäre bei der Masse an Daten auch gar nicht leistbar. Aber: Sobald ein Hostprovider Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt (z.B. durch eine konkrete Beschwerde des Betroffenen), treffen ihn Prüf- und Handlungspflichten.
    Das Gericht befand, dass die Beanstandung des Kieferorthopäden vom 14.07.2016 ausreichend konkret war: Die URL der Bewertung war genannt, auf die Namensgleichheit und das Nichtbestehen eines Patientenverhältnisses wurde hingewiesen. Spätestens jetzt hätte Google tätig werden müssen. Das pauschale Abweisen der Beschwerde reichte nicht aus.
  4. Die Pflicht zur Überprüfung und die Reaktion Googles:
    Das Gericht stellte klar, dass Google seiner Prüfpflicht nicht nachgekommen ist. Es hätte nicht einfach die Behauptung des Arztes ignorieren dürfen, sondern hätte beim Bewerter nachfragen müssen. Auch die Argumentation des Gerichts zur Vieldeutigkeit einer reinen 1-Sterne-Bewertung ist wichtig: Selbst wenn man nicht direkt einen Patientenkontakt unterstellt, so impliziert eine solche Bewertung doch irgendeine Form von negativem Erlebnis im Zusammenhang mit der Praxis. Wenn diese Grundlage fehlt, ist die Bewertung problematisch.
  5. Wiederholungsgefahr:
    Für einen Unterlassungsanspruch muss eine Wiederholungsgefahr bestehen. Diese wird bei einer bereits erfolgten Rechtsverletzung grundsätzlich vermutet. Hier kam hinzu, dass Google die Bewertung auch nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist nicht entfernt hatte. Selbst wenn die Bewertung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (aus nicht näher geklärten Gründen) nicht mehr abrufbar war, hatte Google die Unterlassungsverpflichtung nie anerkannt. Die Gefahr, dass die Bewertung wieder auftaucht oder ähnliche Bewertungen nicht beanstandungsgemäß behandelt werden, bestand also fort.

Was bedeutet dieses Urteil für Sie als Betroffener? Die Key Takeaways:

Auch wenn jedes Urteil eine Einzelfallentscheidung ist, lassen sich aus dem Richterspruch des LG Lübeck wichtige Lehren ziehen:

  1. Sie müssen unwahre oder ungerechtfertigte Bewertungen nicht dulden: Das Persönlichkeitsrecht ist ein starkes Recht, das auch Ihre berufliche Ehre und Ihren Ruf schützt.
  2. Sterne-Bewertungen ohne Text sind nicht sakrosankt: Auch eine reine Sterne-Bewertung kann rechtswidrig sein, wenn ihr jeglicher reale Anknüpfungspunkt fehlt.
  3. Konkrete Beanstandung ist entscheidend: Wenn Sie eine Bewertung bei Google (oder anderen Plattformen) melden, tun Sie dies so konkret wie möglich. Legen Sie dar, warum die Bewertung Ihrer Ansicht nach falsch ist. Behaupten Sie klar und nachvollziehbar, dass kein Kunden- oder Patientenkontakt (oder welcher Art von Kontakt auch immer der Bewertung zugrunde liegen soll) mit der bewertenden Person stattgefunden hat, sofern dies zutrifft. Fordern Sie die Plattform auf, den Bewerter zu kontaktieren und Belege für den angeblichen Kontakt anzufordern.
  4. Plattformen haben Pflichten: Google & Co. können sich nicht einfach hinter der Behauptung verstecken, sie seien nur neutrale Hoster. Nach einer konkreten und plausiblen Rüge müssen sie prüfen und gegebenenfalls handeln. Dazu gehört auch, den Bewerter mit den Vorwürfen zu konfrontieren.
  5. Die „sekundäre Darlegungslast“ ist Ihr Joker: Wenn Sie plausibel machen, dass kein Kontakt bestand, muss die Plattform tätig werden und kann nicht einfach von Ihnen den unmöglichen Negativbeweis verlangen.
  6. Hartnäckigkeit zahlt sich aus: Lassen Sie sich nicht von Standardantworten entmutigen. Manchmal ist der Weg über einen Anwalt und notfalls auch vor Gericht notwendig, um sein Recht durchzusetzen.
  7. Dokumentieren Sie alles: Machen Sie Screenshots von der Bewertung, speichern Sie den gesamten Schriftverkehr mit der Plattform.

Ein kleiner Wermutstropfen: Die vorgerichtlichen Anwaltskosten

Das Gericht wies den Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten ab. Die Begründung ist juristisch spitzfindig, aber nachvollziehbar: Die eigentliche Rechtsverletzung durch Google (als Störer) lag im Unterlassen der Prüfung und Löschung nachdem der Kläger Google über seinen Anwalt kontaktiert hatte. Zu dem Zeitpunkt, als der Anwalt beauftragt wurde, war der Schaden (die Anwaltskosten) aber schon entstanden. Die Pflichtverletzung Googles, die einen Schadensersatzanspruch hätte auslösen können, lag zeitlich erst danach. Dies ist ein wichtiger Punkt, den man bei der Geltendmachung von Kosten im Auge behalten muss. In vielen anderen Konstellationen, insbesondere wenn es um eine direkte Rechtsverletzung geht, sind Abmahnkosten aber durchaus erstattungsfähig.

Fazit: Nicht jede Kröte muss geschluckt werden!

Das Urteil des Landgerichts Lübeck ist ein Mutmacher für alle, die von unfairen oder unwahren Online-Bewertungen betroffen sind. Es zeigt, dass man sich wehren kann und dass auch große Plattformen wie Google nicht tun und lassen können, was sie wollen. Die „Notice-and-Takedown“-Prinzipien und die damit verbundenen Prüfpflichten sind ernst zu nehmen.

Wenn auch Sie mit einer negativen Bewertung zu kämpfen haben, die Sie für ungerechtfertigt halten, empfehle ich Ihnen, sich an einen spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden. Dieser kann prüfen, welche rechtlichen Schritte in Ihrem konkreten Fall sinnvoll und erfolgversprechend sind. Oft lässt sich schon außergerichtlich eine Lösung finden. Und wenn nicht, zeigt dieses Urteil, dass auch der Klageweg erfolgreich sein kann.

Ich hoffe, diese ausführliche Besprechung hat Ihnen einen guten Einblick in die Thematik gegeben. Bleiben Sie wachsam und verteidigen Sie Ihren guten Ruf!

Negative Google-Bewertung LG Lübeck: Fachanwalt hilft bundesweit!

Suchen Sie rechtlichen Beistand?

Rechtsanwalt Thomas Feil
Rechtsanwalt
Thomas Feil

Schreiben Sie einen Kommentar

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner