Pflichten von Kununu bei Beschwerden über rechtswidrige Bewertungen

Einleitung

In der heutigen digitalisierten Arbeitswelt spielen Arbeitgeberbewertungsportale wie Kununu eine immer wichtigere Rolle. Sie bieten Arbeitssuchenden wertvolle Einblicke in Unternehmenskulturen und Arbeitsbedingungen. Doch was geschieht, wenn eine Bewertung auf Kununu rechtswidrige Inhalte enthält? Welche Pflichten hat die Plattform, wenn ein Unternehmen eine begründete Beschwerde einreicht? In diesem Artikel beleuchten wir die rechtlichen Rahmenbedingungen und die konkreten Maßnahmen, die Kununu im Falle einer berechtigten Beschwerde ergreifen muss.

Die Prüfungspflichten von Kununu nach einer Beschwerde

Wenn ein Unternehmen eine Bewertung auf Kununu beanstandet, löst dies eine Reihe von Prüfungspflichten für den Portalbetreiber aus. Diese Pflichten basieren auf grundlegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), insbesondere den Urteilen vom 25. Oktober 2011 (Az.: VI ZR 93/10) und vom 19. März 2015 (Az.: I ZR 94/13 – Hotelbewertungsportal). Diese wegweisenden Urteile definieren klare Handlungsvorgaben für Bewertungsportale.

Das Notice-and-Takedown-Verfahren

Kununu ist als Plattformbetreiber grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, jede Bewertung vor der Veröffentlichung auf rechtliche Konformität zu prüfen. Die Verantwortung beginnt erst, wenn eine ordnungsgemäße Beschwerde eingeht. Dies entspricht dem sogenannten „Notice-and-Takedown-Verfahren“, das der BGH in seiner Rechtsprechung entwickelt hat.

Kriterien einer ordnungsgemäßen Beschwerde

Eine Beschwerde muss bestimmte Kriterien erfüllen, um als ordnungsgemäß zu gelten und Handlungspflichten für Kununu auszulösen:

  1. Sie muss konkret die beanstandete Bewertung benennen.
  2. Die vermeintliche Rechtsverletzung muss spezifisch dargelegt werden.
  3. Die Beschwerde sollte nachvollziehbar begründet sein, warum die Bewertung rechtswidrig ist.

Beispielsweise könnte ein Unternehmen darlegen, dass die Bewertung unwahre Tatsachenbehauptungen enthält oder dass der Verfasser nie im Unternehmen beschäftigt war.

Der mehrstufige Prüfungsprozess bei Kununu

Nach Eingang einer ordnungsgemäßen Beschwerde ist Kununu zu einem strukturierten Prüfungsprozess verpflichtet. Dieser umfasst mehrere Schritte:

1. Weiterleitung der Beschwerde an den Bewertungsverfasser

Der erste Schritt besteht darin, dass Kununu die Beschwerde des betroffenen Unternehmens an den Verfasser der Bewertung zur Stellungnahme weiterleiten muss. Dies gibt dem Bewertenden die Möglichkeit, seine Aussagen zu verteidigen oder zu korrigieren.

2. Szenarien nach Weiterleitung der Beschwerde

Je nach Reaktion des Bewertungsverfassers ergeben sich unterschiedliche Handlungspflichten für Kununu:

a) Keine Reaktion des Verfassers

Bleibt eine Stellungnahme des Verfassers aus, muss Kununu die beanstandete Bewertung löschen. Das Schweigen des Bewertenden wird in diesem Fall als Indiz dafür gewertet, dass die Beschwerde berechtigt sein könnte.

b) Substantiierte Gegendarstellung des Verfassers

Stellt der Verfasser die Berechtigung der Beschwerde substantiiert in Abrede, entstehen für Kununu weitere Prüfungspflichten. In diesem Fall muss Kununu dem betroffenen Unternehmen die Stellungnahme des Verfassers mitteilen und gegebenenfalls weitere Nachweise verlangen, die die behauptete Rechtsverletzung belegen.

c) Keine Reaktion des beschwerdeführenden Unternehmens

Reagiert das Unternehmen nicht auf die Aufforderung zur Vorlage weiterer Nachweise oder legt es diese nicht vor, ist Kununu nicht zur Löschung der Bewertung verpflichtet. Die Prüfungspflicht endet in diesem Fall.

d) Vorlage weiterer Nachweise durch das Unternehmen

Legt das Unternehmen weitere Belege vor, die trotz der Stellungnahme des Verfassers eine Rechtsverletzung nahelegen, muss Kununu die Bewertung löschen.

Die Entscheidung des OLG Hamburg: Neue Entwicklung in der Rechtsprechung

Eine bedeutende Weiterentwicklung der rechtlichen Anforderungen an Kununu erfolgte durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Februar 2024 (Az.: 7 W 11/24). Diese Entscheidung stellt eine wichtige Ergänzung zur bisherigen BGH-Rechtsprechung dar.

Herausgabe von Verfasserdaten oder Löschung

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Kununu bei einer berechtigten Beschwerde zwei Optionen hat:

  1. Die Bewertung löschen oder
  2. Die Daten des Verfassers an das bewertete Unternehmen herausgeben.

Besonders bedeutsam ist dabei, dass die Daten des Verfassers so individualisiert herausgegeben werden müssen, dass das betroffene Unternehmen überprüfen kann, ob tatsächlich ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Bewertenden und dem Unternehmen bestanden hat. Dies stellt einen wichtigen Schutzmechanismus gegen gefälschte Bewertungen dar.

Risikozuweisung bei Herausgabe von Nutzerdaten

Das OLG Hamburg hat zudem klargestellt, dass Kununu das Risiko trägt, falls rechtliche oder tatsächliche Gründe einer Offenbarung der Nutzerdaten entgegenstehen. Sollte die Herausgabe der Daten aus diesen Gründen nicht möglich sein, ist Kununu zur Löschung der beanstandeten Bewertung verpflichtet.

Diese Entscheidung stärkt die Position von Unternehmen, die sich gegen möglicherweise ungerechtfertigte Bewertungen wehren wollen, und erhöht die Prüfungspflichten für Kununu.

Praktische Tipps für Unternehmen bei Kununu-Beschwerden

Für Unternehmen, die eine rechtswidrige Bewertung auf Kununu bemerken, ergeben sich aus den dargestellten rechtlichen Grundlagen einige praktische Handlungsempfehlungen:

1. Sorgfältige Prüfung vor einer Beschwerde

Bevor eine Beschwerde eingereicht wird, sollte das Unternehmen sorgfältig prüfen, ob die Bewertung tatsächlich rechtswidrige Elemente enthält. Nicht jede negative Bewertung ist automatisch rechtswidrig. Meinungsäußerungen sind grundsätzlich durch die Meinungsfreiheit geschützt.

2. Detaillierte Begründung der Beschwerde

Die Beschwerde sollte präzise darlegen, welche Aussagen in der Bewertung rechtswidrig sind und warum. Je konkreter die Beschwerde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kununu tätig wird.

3. Nachweise bereithalten

Unternehmen sollten relevante Nachweise sammeln und bereithalten, um ihre Beschwerde zu untermauern. Dies können beispielsweise Personalunterlagen sein, die belegen, dass der angebliche Verfasser nie im Unternehmen beschäftigt war.

4. Fristen beachten

Nach einer ersten Ablehnung durch Kununu sollten Unternehmen zeitnah reagieren und weitere Nachweise einreichen. Verstreichende Fristen können dazu führen, dass Kununu keine weiteren Prüfungspflichten mehr hat.

5. Rechtliche Beratung in Anspruch nehmen

Bei komplexen Fällen oder wiederholten Ablehnungen durch Kununu kann es sinnvoll sein, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Ein auf IT- und Medienrecht spezialisierter Anwalt kann die Erfolgsaussichten einer Beschwerde einschätzen und weitere rechtliche Schritte einleiten.

Die Balance zwischen Meinungsfreiheit und Unternehmensschutz

Die dargestellten Pflichten von Kununu spiegeln die Bemühungen der Rechtsprechung wider, eine angemessene Balance zwischen der Meinungsfreiheit der Bewertenden und dem berechtigten Interesse von Unternehmen am Schutz ihrer Reputation zu finden.

Während die Rechtsprechung einerseits die Bedeutung von Bewertungsportalen für den Informationsaustausch und die Transparenz auf dem Arbeitsmarkt anerkennt, berücksichtigt sie andererseits die potenziellen Schäden, die durch unwahre Behauptungen oder gefälschte Bewertungen entstehen können.

Fazit: Klare Pflichten für Kununu bei begründeten Beschwerden

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des OLG Hamburg haben klare Handlungsanweisungen für Kununu im Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Bewertungen definiert. Zentral ist dabei das mehrstufige Prüfverfahren, das mit der Weiterleitung der Beschwerde an den Verfasser beginnt und je nach dessen Reaktion verschiedene weitere Schritte vorsieht.

Die Entscheidung des OLG Hamburg vom Februar 2024 hat die Anforderungen an Kununu weiter konkretisiert und die Position von Unternehmen gestärkt, indem sie Kununu vor die Wahl stellt: Entweder die Identität des Verfassers offenlegen, um die Echtheit der Bewertung überprüfbar zu machen, oder die Bewertung löschen.

Für betroffene Unternehmen bietet dieser rechtliche Rahmen wirksame Möglichkeiten, gegen unberechtigte oder rechtswidrige Bewertungen vorzugehen. Eine sorgfältige Vorbereitung der Beschwerde und die Bereitschaft, zusätzliche Nachweise vorzulegen, können den Erfolg einer Beschwerde erheblich beeinflussen.

In einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt, in der Online-Bewertungen eine immer größere Rolle spielen, wird die Bedeutung dieser rechtlichen Mechanismen weiter zunehmen. Unternehmen sollten daher die Prozesse und Anforderungen kennen, um ihre Reputation effektiv schützen zu können.

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