Im heutigen digitalen Zeitalter, in dem Informationen schnell und weitreichend verbreitet werden können, gewinnt der Schutz der persönlichen Ehre zunehmend an Bedeutung. Eine der gravierendsten Formen der Ehrverletzung stellt die Verleumdung dar. In diesem Beitrag beleuchten wir ausführlich, was unter dem Begriff „Verleumdung“ zu verstehen ist, welche rechtlichen Konsequenzen drohen und welche Handlungsmöglichkeiten Betroffenen zur Verfügung stehen.
Die gesetzliche Definition der Verleumdung
Das deutsche Strafgesetzbuch widmet einen ganzen Abschnitt den sogenannten Ehrdelikten. Im 14. Abschnitt des StGB, der mit „Beleidigung“ überschrieben ist, finden sich neben der Beleidigung und der üblen Nachrede auch die Verleumdung als eigenständiger Straftatbestand.
Die Verleumdung ist in § 187 StGB klar definiert:
„Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Die Tatbestandsmerkmale der Verleumdung
Um von einer Verleumdung im strafrechtlichen Sinne sprechen zu können, müssen bestimmte Tatbestandsmerkmale erfüllt sein:
1. Unwahre Tatsachenbehauptung
Zentral für den Tatbestand der Verleumdung ist, dass es sich um eine unwahre TatsachenbehauptungEine Tatsachenbehauptung ist eine Aussage, die objektiv übe... Mehr handelt. Eine Tatsache ist dabei jeder Umstand oder Zustand, der theoretisch bewiesen werden könnte. Dies unterscheidet die Tatsachenbehauptung von einem persönlichen Werturteil oder einer MeinungsäußerungEine Meinungsäußerung ist die Verbalisierung oder schriftl... Mehr.
Beispielsweise ist die Aussage „Person X hat Steuergelder veruntreut“ eine Tatsachenbehauptung, während „Person X ist ein mieser Typ“ ein Werturteil darstellt. Für den Tatbestand der Verleumdung ist entscheidend, dass es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt, die objektiv unwahr ist.
2. Wider besseres Wissen
Das zweite entscheidende Merkmal der Verleumdung ist, dass die unwahre Tatsachenbehauptung „wider besseres Wissen“ erfolgt. Der Täter muss also positiv wissen, dass seine Behauptung nicht der Wahrheit entspricht. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zur üblen Nachrede nach § 186 StGB, bei der es ausreicht, dass der Täter die Wahrheit seiner Behauptung nicht nachweisen kann.
3. Ehrverletzendes Potential
Die unwahre Tatsachenbehauptung muss geeignet sein, die betroffene Person:
- verächtlich zu machen
- in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder
- deren Kredit (wirtschaftliches Ansehen) zu gefährden
Es genügt dabei die abstrakte Eignung zur Ehrverletzung; ein tatsächlicher Ehrverlust muss nicht eintreten.
4. Behaupten oder Verbreiten
Die unwahre Tatsache muss entweder behauptet oder verbreitet werden. „Behaupten“ bedeutet, dass der Täter die Tatsache als nach eigenem Wissen zutreffend darstellt. „Verbreiten“ hingegen meint, dass der Täter die Tatsache als fremdes Wissen weitergibt.
5. Gegenüber Dritten
Die Tatsachenbehauptung muss gegenüber einem Dritten erfolgen, nicht gegenüber dem Betroffenen selbst. Das heißt, die Person, gegenüber der die Behauptung geäußert wird, darf nicht identisch mit der Person sein, über die die Behauptung aufgestellt wird.
Strafmaß bei Verleumdung
Die Verleumdung ist als Vergehen eingestuft und kann je nach Schwere des Falls mit unterschiedlichen Strafen geahndet werden:
- Im Grundfall droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.
- Erfolgt die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (wozu nach § 11 Abs. 3 StGB auch digitale Inhalte zählen), erhöht sich das Strafmaß auf eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.
Die konkrete Höhe der Strafe hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa:
- der Schwere der Verleumdung
- dem Ausmaß der Verbreitung
- den Folgen für den Betroffenen
- der Motivation des Täters
- dessen Vorleben und persönlichen Verhältnissen
Verleumdung im digitalen Zeitalter
In der heutigen Zeit haben Verleumdungen durch die Möglichkeiten des Internets eine neue Dimension erreicht. Unwahre Behauptungen können binnen Sekunden weltweit verbreitet werden und einen erheblichen Rufschaden anrichten. Besonders auf sozialen Netzwerken, in Foren oder auf Bewertungsplattformen können verleumderische Äußerungen schnell eine große Reichweite erzielen.
Die Rechtsprechung hat darauf reagiert und subsumiert auch digitale Verbreitungsformen unter den Tatbestand des § 187 StGB. Dabei kann die öffentliche Verbreitung im Internet aufgrund ihrer potenziell größeren Reichweite zu einer höheren Strafandrohung führen.
Praxisbeispiel zur Veranschaulichung
Zur Verdeutlichung des Tatbestands der Verleumdung dient folgendes Beispiel:
Person A erzählt Person B, dass Person C regelmäßig Steuerbetrug begehe und ihre Steuererklärung manipuliere. Tatsächlich weiß A jedoch, dass diese Behauptung unwahr ist und C stets gewissenhaft und ehrlich ihre Steuern deklariert. In diesem Fall hat A eine unwahre Tatsache wider besseres Wissen behauptet, die geeignet ist, C in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. A hat sich somit einer Verleumdung nach § 187 StGB strafbar gemacht.
Strafantrag und Prozessuale Besonderheiten
Eine wichtige prozessuale Besonderheit bei der Verleumdung ist, dass es sich um ein sogenanntes Antragsdelikt handelt. Dies bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden in der Regel nur tätig werden, wenn der Betroffene einen Strafantrag stellt.
Unterschied zwischen Strafanzeige und Strafantrag
Während eine Strafanzeige lediglich die Mitteilung eines verdächtigen Sachverhalts an die Strafverfolgungsbehörden darstellt, bringt der Strafantrag den ernsthaften Willen zum Ausdruck, dass gegen den Täter strafrechtlich ermittelt werden soll. Für die Ehrdelikte, zu denen auch die Verleumdung zählt, sieht § 194 StGB ausdrücklich das Erfordernis eines Strafantrags vor.
Antragsfrist
Der Strafantrag muss innerhalb von drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene Kenntnis von der Tat und der Person des Täters erlangt.
Verjährung bei Verleumdung
Wie bei den meisten Straftaten gibt es auch bei der Verleumdung Verjährungsfristen:
- Die Verfolgungsverjährung (§ 78 StGB) beträgt bei Verleumdung fünf Jahre. Nach Ablauf dieser Frist darf die Tat nicht mehr verfolgt werden.
- Die Vollstreckungsverjährung (§ 79 StGB) richtet sich nach der konkret verhängten Strafe und beginnt mit der Rechtskraft des Urteils.
Die Verjährungsfrist beginnt mit der Beendigung der Tat. Dies kann insbesondere bei fortgesetzten Taten oder bei der dauerhaften Verbreitung im Internet zu komplexen rechtlichen Fragen führen.
Rechtliche Schritte bei Verleumdung
Wer Opfer einer Verleumdung wird, hat verschiedene rechtliche Handlungsmöglichkeiten:
1. Strafanzeige und Strafantrag
Der erste Schritt ist in der Regel die Erstattung einer Strafanzeige kombiniert mit einem Strafantrag bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Dabei sollten möglichst detaillierte Angaben zu der verleumderischen Äußerung, dem Zeitpunkt, dem Kontext und möglichen Zeugen gemacht werden. Beweismittel wie Screenshots von Online-Beiträgen sollten gesichert und vorgelegt werden.
2. Zivilrechtliche Ansprüche
Neben dem strafrechtlichen Vorgehen kommen auch zivilrechtliche Ansprüche in Betracht:
- Unterlassungsanspruch: Der Betroffene kann verlangen, dass die unwahre Behauptung nicht weiter verbreitet wird.
- Widerrufsanspruch: Der Verbreiter kann verpflichtet werden, seine unwahre Behauptung öffentlich zurückzunehmen.
- Schadensersatzanspruch: Bei materiellen Schäden, etwa durch Geschäftseinbußen, kann Schadensersatz verlangt werden.
- Schmerzensgeld: Bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann unter Umständen auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen.
3. Einstweilige Verfügung
In besonders dringenden Fällen kann der Betroffene eine einstweilige Verfügung beantragen, um schnell eine Unterlassung zu erwirken und weitere Verbreitung der Verleumdung zu stoppen.
Was tun bei einer Anzeige wegen Verleumdung?
Wer selbst mit dem Vorwurf der Verleumdung konfrontiert wird, sollte einige wichtige Punkte beachten:
1. Rechtlichen Beistand suchen
Der Gang zu einem erfahrenen Strafverteidiger ist dringend anzuraten. Ein Fachanwalt für Strafrecht kann die Situation einschätzen, Akteneinsicht nehmen und eine passende Verteidigungsstrategie entwickeln.
2. Aussageverweigerungsrecht nutzen
Beschuldigte haben das Recht zu schweigen, ohne dass dies negativ ausgelegt werden darf. Oft ist es ratsam, zunächst keine Aussage zu machen, bevor man sich nicht anwaltlich beraten lassen hat.
3. Beweisführung beachten
Nicht der Beschuldigte muss seine Unschuld beweisen, sondern der Staat muss die Schuld nachweisen. In der Praxis kann es bei Verleumdungsvorwürfen oft schwierig sein, den Nachweis zu führen, dass der Täter wider besseres Wissen gehandelt hat.
Abgrenzung zu ähnlichen Delikten
Die Verleumdung ist von ähnlichen Straftatbeständen abzugrenzen:
Üble Nachrede (§ 186 StGB)
Bei der üblen Nachrede behauptet oder verbreitet der Täter eine Tatsache, die geeignet ist, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, ohne dass er weiß, ob die Tatsache wahr oder unwahr ist. Der wesentliche Unterschied zur Verleumdung besteht also im subjektiven Tatbestand: Bei der Verleumdung weiß der Täter, dass seine Behauptung unwahr ist, während bei der üblen Nachrede die Wahrheit der Behauptung für den Täter unklar ist.
Beleidigung (§ 185 StGB)
Die Beleidigung ist die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung einer Person. Anders als bei der Verleumdung geht es hier nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern um herabwürdigende Werturteile.
Fazit und praktische Empfehlungen
Die Verleumdung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Ehre dar und kann erhebliche strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. In einer Zeit, in der Informationen schnell und weitreichend verbreitet werden können, ist ein sensibles Bewusstsein für die Grenzen der eigenen Meinungsäußerung wichtiger denn je.
Für potenzielle Opfer ist es ratsam, schnell zu handeln, Beweise zu sichern und rechtlichen Beistand zu suchen. Für Beschuldigte gilt, die Vorwürfe ernst zu nehmen und sich professionell beraten zu lassen, um die eigenen Rechte zu wahren.
Die Balance zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung einerseits und dem Schutz der persönlichen Ehre andererseits stellt eine der großen Herausforderungen unserer Kommunikationsgesellschaft dar. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Informationen und ein respektvoller Ton in der öffentlichen wie privaten Kommunikation sind daher nicht nur eine Frage der guten Sitten, sondern auch ein wirksamer Schutz vor strafrechtlichen Konsequenzen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass dieser Beitrag allgemeine Informationen zur Verleumdung nach deutschem Strafrecht bietet, jedoch keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Bei konkreten rechtlichen Fragestellungen sollte stets fachkundiger Rat eingeholt werden.