In der digitalen Welt sind BewertungenBewertungen sind Rückmeldungen oder Beurteilungen von Produ... Mehr und Meinungsäußerungen allgegenwärtig. Für Unternehmen, Freiberufler und Selbstständige können sie geschäftsentscheidend sein. Doch was passiert, wenn jemand eine falsche oder verzerrte Meinung äußert? Sind auch solche Äußerungen rechtlich geschützt, oder können sie gelöscht werden? Diese Frage beschäftigt nicht nur Betroffene, sondern auch Gerichte und Juristen seit Jahren.
Die Grundlagen: Meinungsfreiheit im deutschen Recht
Die Meinungsfreiheit gehört zu den Grundpfeilern unserer demokratischen Gesellschaft und ist in Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes verankert. Doch wie bei vielen Grundrechten gibt es auch hier Grenzen und Einschränkungen. Um die Frage nach dem Schutz falscher Meinungsäußerungen zu beantworten, müssen wir zunächst eine wichtige rechtliche Unterscheidung verstehen.
Meinungsäußerungen versus Tatsachenbehauptungen
Im Rechtssystem wird klar zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen unterschieden:
Eine MeinungsäußerungEine Meinungsäußerung ist die Verbalisierung oder schriftl... Mehr ist ein subjektives Werturteil, das nicht dem Beweis zugänglich ist. Sie spiegelt die persönliche Ansicht des Äußernden wider und kann nicht als „wahr“ oder „falsch“ eingeordnet werden. Beispiel: „Ich finde den Service in diesem Restaurant unfreundlich.“
Eine TatsachenbehauptungEine Tatsachenbehauptung ist eine Aussage, die objektiv übe... Mehr hingegen ist eine Aussage, deren Wahrheitsgehalt objektiv überprüfbar ist. Sie bezieht sich auf konkrete Fakten oder Ereignisse. Beispiel: „Der Kellner hat mich angeschrien und des Restaurants verwiesen.“
Diese Unterscheidung ist entscheidend für die rechtliche Bewertung einer Äußerung und die Frage, ob sie gelöscht werden kann.
Der Schutz von Meinungsäußerungen
Grundsätzlich genießen Meinungsäußerungen einen hohen Schutz durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dies gilt selbst dann, wenn sie negativ, scharf formuliert oder überspitzt sind. Das BundesverfassungsgerichtDas Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist das höchste deuts... Mehr hat in zahlreichen Entscheidungen betont, dass auch polemische oder übertriebene Kritik vom Schutz der Meinungsfreiheit erfasst ist.
Eine Meinungsäußerung kann daher nicht allein deshalb gelöscht werden, weil sie „falsch“ erscheint – denn subjektive Werturteile entziehen sich per Definition einer objektiven Wahrheitsprüfung. Die Meinungsfreiheit schützt gerade auch unpopuläre, schockierende oder störende Ansichten.
Doch auch der Schutz von Meinungsäußerungen hat Grenzen. Diese sind erreicht, wenn die Äußerung in die Kategorie der sogenannten „Schmähkritik“ fällt oder wenn sie die Menschenwürde verletzt.
Schmähkritik als Grenze der Meinungsfreiheit
Schmähkritik liegt vor, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die sachliche Auseinandersetzung, sondern die persönliche Herabsetzung im Vordergrund steht. Es handelt sich um Äußerungen, bei denen es nicht mehr um die Sache geht, sondern um die Diffamierung der Person. Das Bundesverfassungsgericht legt die Schwelle für Schmähkritik bewusst hoch an, um die Meinungsfreiheit nicht übermäßig einzuschränken.
Beispiel für Schmähkritik: „Der Arzt ist ein unfähiger Stümper und hat seinen Beruf verfehlt.“ Hier fehlt es an einer sachlichen Auseinandersetzung mit der ärztlichen Leistung.
Schmähkritik ist nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt und kann daher gelöscht werden.
Unwahre Tatsachenbehauptungen und ihr rechtlicher Status
Anders als bei Meinungsäußerungen ist die Rechtslage bei unwahren Tatsachenbehauptungen eindeutig: Sie sind nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass die wissentlich oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung nicht unter den Schutzbereich des Artikel 5 GG fällt.
Wenn jemand also behauptet: „Dieses Restaurant verwendet abgelaufene Lebensmittel“ und dies nicht der Wahrheit entspricht, handelt es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung, die gelöscht werden kann. Der Betroffene hat einen Anspruch auf Unterlassung und Löschung solcher Behauptungen.
Die Herausforderung gemischter Äußerungen
In der Praxis sind Äußerungen selten eindeutig als reine Meinungsäußerung oder reine Tatsachenbehauptung zu klassifizieren. Oft handelt es sich um Mischformen, in denen Tatsachenbehauptungen und Werturteile miteinander verwoben sind.
Die Rechtsprechung betrachtet in solchen Fällen den Gesamtzusammenhang und die überwiegende Stoßrichtung der Äußerung. Wenn der Meinungscharakter überwiegt, kann die gesamte Äußerung unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen – selbst wenn sie faktische Elemente enthält, die für sich genommen unwahr sein mögen.
Beispiel: „Nach meinem Eindruck war das Essen kalt und ungenießbar, und der Kellner schien völlig überfordert.“ Diese Aussage enthält sowohl subjektive Wertungen als auch Tatsachenelemente, wird aber aufgrund ihrer Gesamtausrichtung eher als Meinungsäußerung eingestuft.
Die Rolle der Bewertungsportale
Bewertungsportale wie GoogleGoogle LLC ist ein US-amerikanisches Technologieunternehmen,... Mehr, Kununukununu ist eine Online-Plattform, die es Arbeitnehmern und B... Mehr, JamedaJameda ist eine deutsche Online-Plattform, die Patienten und... Mehr oder Trustpilot stehen in einer besonderen Verantwortung, da sie die Plattform für potenziell rufschädigende Äußerungen bieten. Der BundesgerichtshofDer Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste deutsche Gerich... Mehr hat in mehreren Urteilen die Pflichten dieser Portale konkretisiert.
Grundsätzlich sind Portalbetreiber nicht verpflichtet, jede Bewertung vor der Veröffentlichung auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Werden sie jedoch auf möglicherweise rechtswidrige Inhalte hingewiesen, müssen sie tätig werden. Bei eindeutig rechtswidrigen Inhalten, wie beispielsweise unwahren Tatsachenbehauptungen oder Schmähkritik, besteht eine Pflicht zur Löschung.
Der BGH hat zudem entschieden, dass Betreiber von Bewertungsportalen für den Inhalt verantwortlich sind, wenn sie Äußerungen nach Hinweis auf Rechtsverletzungen inhaltlich korrigieren, ohne Rücksprache mit dem Urheber zu halten. Sie müssen falsche Tatsachenbehauptungen löschen, müssen aber in der Regel die Identität der Nutzer nicht preisgeben.
Strategien gegen falsche oder unerwünschte Äußerungen
Für Unternehmen, Ärzte und Freiberufler, die von falschen oder unerwünschten Äußerungen betroffen sind, bieten sich verschiedene Handlungsoptionen:
Bei unwahren Tatsachenbehauptungen kann ein Löschungsanspruch geltend gemacht werden. Hier ist es wichtig, die Unwahrheit der Behauptung darzulegen und zu beweisen.
Bei Schmähkritik oder beleidigenden Äußerungen besteht ebenfalls ein Löschungsanspruch, da diese nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst sind.
Bei negativen, aber rechtmäßigen Meinungsäußerungen ist eine direkte Löschung oft nicht möglich. Hier kann es sinnvoll sein, die Stellungnahmefunktion zu nutzen, die viele Portale anbieten, oder den Verfasser direkt zu kontaktieren, um eine Lösung zu finden.
In besonders schwerwiegenden Fällen kann auch eine einstweilige Verfügung erwirkt werden, um schnell Abhilfe zu schaffen.
Der praktische Weg zur Löschung rechtswidriger Äußerungen
Wer gegen falsche oder rechtswidrige Äußerungen vorgehen möchte, sollte strukturiert vorgehen:
1. Dokumentation der Äußerung
Sichern Sie die betreffende Äußerung durch Screenshots oder andere geeignete Mittel. Dies ist wichtig, falls die Äußerung später geändert oder gelöscht wird.
2. Rechtliche Einordnung
Prüfen Sie, ob es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung, Schmähkritik oder eine legitime Meinungsäußerung handelt. Diese Einordnung ist entscheidend für die weiteren Schritte.
3. Kontaktaufnahme mit dem Portalbetreiber
Viele Portale bieten spezielle Meldefunktionen für problematische Inhalte. Nutzen Sie diese und erläutern Sie sachlich, warum die betreffende Äußerung rechtswidrig ist. Bei unwahren Tatsachenbehauptungen ist es hilfreich, Beweise für die Unwahrheit beizufügen.
4. Direkte Kontaktaufnahme mit dem Verfasser
Falls möglich, kann auch eine direkte Kommunikation mit dem Verfasser zielführend sein. Manchmal beruhen negative Bewertungen auf Missverständnissen, die im direkten Gespräch ausgeräumt werden können.
5. Anwaltliche Unterstützung
Bei ausbleibender Reaktion oder Ablehnung durch den Portalbetreiber kann anwaltliche Hilfe erforderlich sein. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann ein Abmahnschreiben verfassen, eine Unterlassungserklärung einfordern oder gerichtliche Schritte einleiten.
6. Gerichtliches Vorgehen
Als letztes Mittel kommt ein gerichtliches Vorgehen in Betracht, etwa durch eine einstweilige Verfügung oder eine Klage. Hier entscheidet letztlich ein Gericht über die Rechtmäßigkeit der strittigen Äußerung.
Praktische Beispiele aus der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung zu falschen oder strittigen Meinungsäußerungen ist facettenreich. Einige Beispiele verdeutlichen, wie Gerichte die Grenzen ziehen:
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Unternehmens als „Ausbeuter“ eine zulässige Meinungsäußerung sein kann, wenn sie im Kontext einer sachlichen Auseinandersetzung steht.
Der Bundesgerichtshof hingegen sah in der Behauptung, ein Arzt habe eine falsche Behandlung durchgeführt, eine unwahre Tatsachenbehauptung, die gelöscht werden musste, da der Patient keine konkreten Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler darlegen konnte.
Das OberlandesgerichtEin Oberlandesgericht (OLG) ist ein Gericht der oberen Insta... Mehr München entschied, dass die Behauptung, in einem Restaurant gebe es „Gammelfleisch“, eine unwahre Tatsachenbehauptung darstellt, die gelöscht werden muss.
Diese Beispiele zeigen: Die Unterscheidung zwischen geschützter Meinungsäußerung und nicht geschützter Tatsachenbehauptung ist oft eine Gratwanderung, die im Einzelfall entschieden werden muss.
Fazit: Differenzierte Betrachtung notwendig
Die Antwort auf die Frage, ob falsche Meinungsäußerungen vor einer Löschung geschützt sind, lautet differenziert:
Reine Meinungsäußerungen sind grundsätzlich geschützt, auch wenn sie aus Sicht des Betroffenen „falsch“ oder unangemessen erscheinen. Eine Löschung ist hier nur möglich, wenn die Schwelle zur Schmähkritik überschritten wird.
Unwahre Tatsachenbehauptungen hingegen sind nicht geschützt und können gelöscht werden. Hier trägt allerdings derjenige die Beweislast, der die Löschung begehrt – er muss die Unwahrheit der Behauptung darlegen.
Bei gemischten Äußerungen kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die überwiegende Stoßrichtung an.
Für Unternehmen, Ärzte und andere vom Online-Reputationsmanagement abhängige Berufsgruppen bedeutet dies: Nicht jede negative oder unerwünschte Äußerung kann gelöscht werden. Oft ist ein strategisches Vorgehen unter rechtlicher Beratung erforderlich, um zwischen löschbaren und hinzunehmenden Äußerungen zu unterscheiden und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.
In einer Zeit, in der der Online-Reputation eine immer größere Bedeutung zukommt, ist professionelle Unterstützung durch Experten im Bereich des IT-Rechts und Reputationsmanagements oft der Schlüssel zum erfolgreichen Umgang mit kritischen oder falschen Äußerungen im Internet.