Wenn der gute Ruf auf der Kippe steht – Ärztebewertungsportale, Datenschutz und die zentrale Rolle der objektiven Rechtsabwägung

Die digitalen Spuren, die wir täglich hinterlassen, bestimmen heute in nie gekanntem Ausmaß unseren persönlichen und beruflichen Ruf. Besonders deutlich wird dies bei Ärztinnen und Ärzten, die auf Internetportalen bewertet werden. Der erste Klick von Patientinnen und Patienten führt immer häufiger nicht zu einer klassischen Empfehlung im Bekanntenkreis, sondern auf Bewertungsplattformen, bei denen Meinungen öffentlich geteilt werden. Für viele Ärztinnen und Ärzte entwickelt sich dieses Phänomen zur großen Herausforderung: Was tun, wenn die eigene Basisdatendarstellung auf einer solchen Plattform ohne Zustimmung erfolgt – und dann auch noch von einer negativen Bewertung begleitet wird? Wo liegen die Grenzen zwischen öffentlichem Informationsinteresse, Meinungsfreiheit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung? Antworten auf diese Fragen liefert eine wegweisende Entscheidung des OLG Frankfurt.

Die Ausgangslage: Die Konfrontation mit Bewertungsportalen

Im zugrundeliegenden Fall wandte sich eine Augenärztin an das Gericht, um die Löschung sowohl ihrer auf einem Ärztebewertungsportal veröffentlichten Basisdaten als auch einer explizit negativen Bewertung zu erreichen. Die Basisdaten – Name, Fachrichtung, Praxisanschrift und Kontaktdaten – wurden ohne ihre Einwilligung aufgenommen. Das Bewertungsportal hat darüber hinaus Bewertungskommentare und ein Notensystem vorgesehen, allerdings ohne ein Portrait der gelisteten Ärzte anzuzeigen (stattdessen nur Silhouetten). Für Praxen bestand die Möglichkeit, gegen Entgelt erweitert dargestellt und sichtbarer positioniert zu werden, z. B. mit Bildern und zusätzlichen Informationen. Diese sogenannten „Premium-Profile“ wurden als „Anzeige“ gekennzeichnet und farblich hervorgehoben – auf der allgemeinen Ärzteliste war die Kennzeichnung allerdings nicht ersichtlich.

Zentrale juristische Fragestellungen des Falls

Die Klägerin argumentierte, die Betreiberin des Bewertungsportals habe weder ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung ihrer Daten noch an der Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sie forderte die Löschung der Basisdaten und hilfsweise der negativen Bewertung, sah sich durch die wirtschaftlichen Interessen des Portals in ihrer Berufsausübung beeinträchtigt und verwies auf das Vorrangverhältnis ihrer Persönlichkeitsrechte gegenüber einer Meinungsäußerung Dritter. Die Portalbetreiberin hingegen verwies auf das erhebliche öffentliche Interesse an vollständigen und objektiven Arztlisten samt Nutzerbewertung, die für Patientinnen und Patienten eine entscheidende Entscheidungshilfe bieten. Das Unternehmen führte aus, dass die Daten ohnehin öffentlich bei den Kassenärztlichen Vereinigungen einsehbar seien. Gerade im Licht der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) müsse zudem eine grundrechtliche Güterabwägung stattfinden, da auch das Kommunikationsinteresse der Allgemeinheit im Raum stehe.

Entwicklung des Verfahrens und die Entscheidung des OLG Frankfurt

Das Landgericht Hanau gab zunächst der Ärztin Recht und verpflichtete das Bewertungsportal zur Löschung der Basisdaten. In der nächsten Instanz entschied das Oberlandesgericht Frankfurt jedoch anders: Die Berufung der Portalbetreiberin war erfolgreich, die Klage wurde abgewiesen. Maßgeblich für die Entscheidung war die Bewertung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit gegenüber den Persönlichkeitsrechten der Ärztin unter Berücksichtigung der DSGVO. Nach Auffassung des OLG überwiegt hier das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen, transparenten und leicht zugänglichen Informationsgrundlage für die Patientenschaft.

Besonders hervorzuheben ist die Auffassung des Senats, dass ein Ärztebewertungsportal eine gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllt – nämlich als neutraler Vermittler von Patientenmeinungen und Basisinformationen. Durch diese Rolle trägt ein solches Portal zur freien ärztlichen Berufsausübung und zur Patientensouveränität bei. Voraussetzung bleibt jedoch, dass der Portalbetreiber objektiv informiert und keine versteckten Vorteile für zahlende Ärztinnen und Ärzte einräumt.

Wann ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig? – Die Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO

Dem Urteil zufolge ist die Aufnahme von öffentlich zugänglichen Arzt-Basisdaten zulässig, auch wenn keine explizite Einwilligung der Betroffenen vorliegt. Hierfür stützt sich das OLG auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO, der eine Datenverarbeitung dann für rechtmäßig erklärt, wenn sie „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen“. Die entscheidende Abwägung nimmt der Senat praxisorientiert vor: Weil Ärztinnen und Ärzte durch ihre öffentliche Tätigkeit ohnehin dem öffentlichen Informationsinteresse unterliegen, können ihre Basisdaten im Kontext eines Bewertungsportals veröffentlicht werden, solange diese Daten ohnehin an anderer Stelle öffentlich sind und nicht über die erforderlichen Informationen hinausgehen.

Zur Rolle der Premium-Mitgliedschaft und der Transparenz auf Bewertungsportalen

Eine große Rolle spielte in dem Fall die Frage, ob das Portal den zahlenden Premium-Mitgliedern verdeckte Vorteile verschafft und so die Objektivität der Liste und damit das neutrale Informationsinteresse unterläuft. Das OLG Frankfurt stellte klar: Die aktuelle Ausgestaltung, mit sichtbarer und farblicher Kennzeichnung von Premium-Profilen als „Anzeige“, wahrt die notwendige Transparenz. Für User ist deutlich erkennbar, dass für besondere Hervorhebungen ein Entgelt entrichtet wurde. Kritisch wäre es nur dann, wenn entweder das Ranking unlauter beeinflusst oder konkurrierende Ärzte auf Profile nichtzahlender Ärztinnen und Ärzte aufmerksam gemacht werden, ohne dass das für die Nutzer erkennbar ist. In dem verhandelten Fall sah das OLG Frankfurt dies nicht als gegeben an, da eine neutrale Gestaltung der Listung und eine objektive Transparenz der Vorteilsgewährung gewährleistet sind.

Zum Recht auf Löschung negativer Bewertungen

Auch in der Frage, ob die negative Bewertung als „arrogant, unfreundlich, unprofessionell“ zu löschen ist, entschied das Gericht gegen die Ärztin. Die Rechtsprechung verlangt, dass eine negative Bewertung dann hinzunehmen ist, wenn sie auf eigenen Erfahrungen des Bewertenden beruht und die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreitet. Subjektive Werturteile, wie sie im fraglichen Kommentar gefallen waren, sind von der Meinungsfreiheit gedeckt. Insbesondere hob das Gericht hervor, dass die Kritik nicht die ärztliche Fachkompetenz angriff, sondern sich lediglich auf den menschlichen Umgang bezog. Die Schwelle zur Persönlichkeitsverletzung wird bei Werturteilen nur dann überschritten, wenn sie erkennbar den Zweck verfolgen, den Bewerteten herabzuwürdigen oder unwahre Tatsachen verbreiten.

Relevanz des Urteils für Ärztinnen und Ärzte sowie andere Berufsgruppen

Für Ärztinnen und Ärzte, aber auch für andere Freiberufler, die online bewertet werden, verdeutlicht dieses Urteil die rechtlichen Rahmenbedingungen im Umgang mit Bewertungsplattformen. Portale dürfen Basisdaten und Bewertungen veröffentlichen – zumindest dann, wenn ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, die Daten bereits öffentlich sind und eine transparente Vorgehensweise gewahrt bleibt. Zugleich gibt das Urteil den Betroffenen Orientierung darin, wann und aus welchen Gründen eine Löschung möglich ist: Vor allem dann, wenn unwahre Tatsachen behauptet werden oder durch das Bewertungsportal eine nicht offen gelegte Bevorzugung erfolgt, die das objektive Informationsinteresse kompromittieren könnte.

Strategischer Umgang mit Online-Reputation

Angesichts der hohen Sichtbarkeit im Internet wird es für Ärztinnen und Ärzte immer wichtiger, aktiv auf den eigenen Online-Auftritt zu achten. Die Möglichkeit, eine Premium-Mitgliedschaft in Anspruch zu nehmen, ist eine Option, mehr Kontrolle über die Präsentation der eigenen Praxis zu gewinnen. Sie sollte jedoch wohlüberlegt eingesetzt werden – ihr Vorteil liegt vor allem in der gestalterischen Aufwertung des Profils, nicht aber im direkten Löschen von negativen Äußerungen. Gegen echte Rechtsverletzungen, etwa unwahre Tatsachenbehauptungen oder beleidigende (schmähende) Aussagen, besteht auf dem Klageweg weiterhin effektiver Schutz. Hier wird geprüft, ob der Portalbetreiber seine Prüfpflichten einhält, indem er Stellungnahmen einholt und den Fall sachgerecht bewertet.

Leitlinien für den schnellen Praxisschutz

Wenn Sie als Arzt oder Freiberufler mit einer negativen Bewertung oder der Aufnahme Ihrer Daten auf einem Bewertungsportal konfrontiert sind, empfiehlt sich ein strategisches und besonnenes Vorgehen. Lassen Sie zunächst prüfen, ob die Bewertung wirklich die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung überschreitet – dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Schmähkritik, nachweislich falsche Tatsachenbehauptungen oder unspezifische Angriffe vorliegen. Bei Kritik, die auf subjektiven Erfahrungen beruht und innerhalb des Rahmens der Höflichkeitsregeln bleibt, ist ein juristisches Vorgehen weniger erfolgversprechend.

Im nächsten Schritt sollte der Portalbetreiber zur Überprüfung aufgefordert und eine Gegendarstellung ggf. ergänzend veröffentlicht werden. Ein professioneller Umgang mit negativen Bewertungen demonstriert wiederum Kompetenz, Offenheit und Servicebereitschaft gegenüber bestehenden und potentiellen Patienten.

Fazit: Reputationsschutz und objektive Abwägung – Rechtssicherheit für Bewertungsportale

Die Entscheidung des OLG Frankfurt schafft für Ärztinnen und Ärzte, aber auch für andere Freiberufler und Unternehmer im digitalen Raum, klare Orientierungspunkte. Bewertungsportale erfüllen eine gesellschaftlich erwünschte Funktion, solange sie neutral agieren und keine verdeckten Vorteile gewähren. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist wichtig, doch tritt es zurück, wenn das öffentliche Informationsinteresse überwiegt und keine unzulässigen Praktiken wie Intransparenz oder verdeckte Bevorzugungen vorliegen.

Für Praxisinhaber bedeutet dies: Die beste Strategie beginnt oft mit professioneller Kommunikation und Transparenz. Sichern Sie Ihren guten Ruf, indem Sie proaktiv mit Bewertungen umgehen und potentielle Rechtsverstöße konsequent und lösungsorientiert angehen. Die Rechtsprechung zeigt, dass ein differenziertes Vorgehen und gegenseitige Transparenz im digitalen Zeitalter Wege zur erfolgreichen Positionierung bieten – für ein sicheres, modernes und verlässliches Erscheinungsbild Ihrer Praxis im Netz.

Sie haben Fragen zum Umgang mit Bewertungsportalen oder möchten wissen, wie Sie Ihr Reputationsmanagement rechtssicher und effektiv gestalten können? Vereinbaren Sie gerne eine unverbindliche Erstberatung. Gemeinsam entwickeln wir eine individuelle Strategie, um Ihre Interessen zielgerichtet zu schützen – kompetent, strategisch und lösungsorientiert.

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