Bundesverfassungsgericht schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht: Unzulässige Zitate im Fernsehen als Eingriff in die Ehre – Wegweisendes Urteil zu Medienkritik, Meinungsfreiheit und Reputationsschutz

Ausführliche Zusammenfassung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1980 (Az. 1 BvR 797/78)

Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts befasst sich grundlegend mit der Frage, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gegenüber der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) abzugrenzen ist, wenn es um die mediale Wiedergabe äußerst kritischer Aussagen über eine Person geht. Der Fall dreht sich konkret um einen Fernsehkommentar, in dem einem Schriftsteller Äußerungen zugeschrieben wurden, die er so nicht gemacht hatte. Das BVerfG erkannte, dass in der verfälschten Zitierung eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts liegt, die nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Hintergrund des Verfahrens

Der Beschwerdeführer, ein bekannter Schriftsteller, sah sich durch einen Fernsehkommentar in seiner Ehre verletzt. In diesem Kommentar, ausgestrahlt im Anschluss an eine Berichterstattung über einen Staatsakt nach einem terroristischen Mord, wurde ihm unterstellt, durch seine Äußerungen das geistige Klima für terroristische Gewalt mitgeschaffen zu haben. Dabei wurde ihm zugeschrieben, den Rechtsstaat als „Misthaufen“ bezeichnet zu haben und die Bundesrepublik als System darzustellen, das Terroristen „in gnadenloser Jagd“ verfolge.

Der Kommentator berief sich auf Zitate aus früheren Veröffentlichungen des Schriftstellers. Dieser hielt diese Darstellung jedoch für entstellend und klagte auf Schmerzensgeld. Während das Oberlandesgericht dem Autor teilweise Recht gab, hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf. Daraufhin wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Die juristische Ausgangslage

Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die dem Beschwerdeführer zugeschriebenen Aussagen tatsächlich so gefallen waren und ob ihre Wiedergabe als zulässig im Rahmen der Meinungsfreiheit zu werten sei. Dabei ging es nicht nur um Meinungsäußerungen, sondern um Tatsachenbehauptungen, die in einem massenmedialen Kontext (Fernsehen) mit großer Breitenwirkung verbreitet wurden.

Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass auch sinngemäße Zitate zulässig seien, sofern sie vom Verständnis eines durchschnittlichen Zuschauers gedeckt wären. Das Bundesverfassungsgericht widersprach dieser Auslegung klar.

Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts

1. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Das BVerfG stellte fest, dass das Recht am eigenen Wort ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist. Dieses schützt davor, dass jemandem Äußerungen unterstellt werden, die er nicht gemacht hat, insbesondere wenn dies zu einer öffentlichen Herabsetzung führt.

Die falsche oder entstellende Wiedergabe von Zitaten greift besonders tief in dieses Recht ein. Wenn ein Zitat im Meinungskampf verwendet wird, entfaltet es eine besondere Überzeugungs- und Beweiskraft. Ein unzutreffendes Zitat kann nicht durch Art. 5 GG gedeckt sein, da unwahre Tatsachenbehauptungen nicht denselben Schutz genießen wie Meinungsäußerungen.

2. Anforderungen an zulässiges Zitieren

Wer zitiert, muss korrekt wiedergeben. Ist eine Aussage mehrdeutig, muss deutlich gemacht werden, dass es sich um eine Interpretation handelt. Dies gilt umso mehr, wenn die Aussage in einem Medium mit großer Wirkung (hier: Fernsehen) verbreitet wird. Die Verpflichtung zur Kennzeichnung von Deutungen dient dem Schutz des Informationsinteresses des Publikums und dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person.

3. Kritik am BGH-Maßstab

Das BVerfG kritisierte den vom BGH verwendeten Maßstab des „vertretbaren Verständnisses eines Durchschnittszuschauers“. Dieser lässt zu viel Interpretationsspielraum zu und gefährdet das Recht des Betroffenen, selbst über seine Worte und deren Darstellung zu bestimmen. Im Ergebnis bedeutet das: Der Zitierte hat ein Recht darauf, dass seine Aussagen richtig oder zumindest korrekt gekennzeichnet interpretiert wiedergegeben werden.

Folgen des Urteils

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für die Medienpraxis, insbesondere in Bezug auf die journalistische Sorgfaltspflicht beim Zitieren. Die Meinungsfreiheit wird durch dieses Urteil nicht geschwächt, sondern differenziert interpretiert:

  • Meinungsfreiheit endet dort, wo das Persönlichkeitsrecht in unzumutbarer Weise verletzt wird.
  • Die Wahrheitspflicht hat im Kontext öffentlicher Aussagen ein besonderes Gewicht.
  • Zitate dürfen nicht entstellend oder manipulativ wiedergegeben werden.

Bedeutung für Reputationsschutz und Online-Bewertungen

Für Experten im Reputationsmanagement, wie auf den Portalen Thomas-Feil.de und Recht-Freundlich.de, ist dieses Urteil ein wichtiger Baustein: Es zeigt, dass auch öffentlich verbreitete Aussagen in Form von vermeintlichen Zitaten gerichtlicher Kontrolle unterliegen.

Insbesondere bei diffamierenden Online-Bewertungen, Blogbeiträgen oder Social-Media-Posts stellt sich häufig die Frage: Wurden Zitate verfälscht oder aus dem Zusammenhang gerissen? Dieses Urteil gibt eine klare Antwort: Ein verfälschtes Zitat kann eine justiziable Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen.

Praktische Hinweise für Betroffene

  1. Rechtsmittel einlegen: Bei unzutreffenden Zitaten oder öffentlichen Äußerungen sollte umgehend rechtlicher Rat eingeholt werden.
  2. Beweissicherung: Screenshots und Mitschnitte sind wichtige Beweismittel.
  3. Löschung verlangen: Plattformbetreiber und Medienköpfe können zur Korrektur oder Löschung verpflichtet werden.
  4. Schmerzensgeld: Bei schwerwiegender Ehrverletzung kann auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen.
  5. Richtigstellung und Gegendarstellung: Diese Mittel sollten aktiv genutzt werden, um die eigene Position klarzustellen.

Fazit

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1980 ist ein Meilenstein für das Recht am eigenen Wort und den Schutz der Persönlichkeit gegenüber der Medienberichterstattung. Es setzt klare Grenzen für die Verwendung von Zitaten im öffentlichen Diskurs und stellt sicher, dass Betroffene sich gegen entstellende Darstellungen wehren können.

Gerade im digitalen Zeitalter, in dem Inhalte schnell und massenhaft verbreitet werden, gewinnt diese Entscheidung neue Aktualität. Sie bestätigt: Auch Medienkritik hat Grenzen, wenn sie auf falschen Tatsachen basiert. Für den Reputationsschutz von Personen des öffentlichen Lebens wie auch Privatpersonen ist dieses Urteil von höchster Relevanz.

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