Urteil des AG Bremen: Negative eBay-Bewertungen und ihre rechtliche Zulässigkeit – Ein Überblick für Onlinehändler und Käufer

Einleitung: Zwischen Kundenbewertung und Verkäuferinteresse – Der schwierige Balanceakt auf eBay

Das Internet ist heute mehr denn je ein Raum, in dem nicht nur Produkte, sondern auch Erfahrungen und Meinungen gehandelt werden. Bewertungsportale, Kommentarfunktionen und insbesondere Online-Plattformen wie eBay setzen auf das Prinzip der Transparenz: Käufer und Verkäufer bewerten sich gegenseitig, Empfehlungen und Warnungen sind nur einen Klick entfernt. Für Onlinehändler kann eine negative Bewertung existenzielle Auswirkungen haben – der gute Ruf und die Erfolgsgrundlage im digitalen Geschäft stehen auf dem Spiel. Doch genau an dieser sensiblen Schnittstelle entstehen regelmäßig rechtliche Konflikte: Wie weit reicht das Recht auf freie Meinungsäußerung der Käufer? Welche Abwehrmöglichkeiten hat der betroffene Händler? Und sind emotional formulierte Bewertungen wie „übelste Abzocke“ tatsächlich zulässig? Negative eBay-Bewertungen?

Das Amtsgericht Bremen stellte sich in seinem Urteil vom 27. November 2009 (Az. 9 C 412/09) diesen Fragen und hat damit einen bemerkenswerten Akzent in der Rechtsprechung gesetzt. Der folgende Beitrag beleuchtet das Urteil, ordnet die wichtigsten Entscheidungsgründe ein und bietet konkrete Handlungsempfehlungen – sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher. Damit Sie vorbereitet sind, wenn auch Ihr eBay-Auftritt Gegenstand öffentlicher Kritik wird.

Sachverhalt: Kauf einer Jacke, Rückabwicklung und Streit um Versandkosten

Dem Urteil lag ein typischer Streitfall zugrunde, wie er sich tagtäglich auf Online-Marktplätzen abspielen kann: Die Klägerin, Betreiberin eines eBay-Shops, verkaufte eine Damenjacke. Der Käufer nutzte das ihm gesetzlich zustehende Widerrufsrecht und schickte die Jacke zurück. Während der Kaufpreis erstattet wurde, blieb die Klägerin bezüglich der ursprünglich gezahlten 4,90 EUR Versandkosten unnachgiebig – eine Praxis, die ausdrücklich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegt war.

Der Käufer fühlte sich dadurch benachteiligt und gab seiner Unzufriedenheit in einer negativen eBay-Bewertung Ausdruck: „Vorsicht bei Reklamation! Übelste Abzocke bei Versandkosten!!!“. Die Verkäuferin versuchte, den Käufer zur Rücknahme der Bewertung zu bewegen – vergeblich. Schließlich landete der Streit vor Gericht, wobei die Klägerin die Löschung der Bewertung und Ersatz der Anwaltskosten verlangte.

Die rechtliche Ausgangslage: Bewertungsrecht vs. Unternehmerinteresse

Die zentrale Rolle von Bewertungen im Online-Handel

Onlinebewertungen sind heute nicht wegzudenken. Sie dienen als Orientierungshilfe und Entscheidungskriterium. Gerichte erkennen an, dass insbesondere negative Bewertungen das Geschäft eines Händlers empfindlich treffen können. Gleichwohl ist das Bewertungssystem auf eBay gerade dafür geschaffen, dass persönliche Eindrücke geteilt werden und Käufer transparent gemacht wird, mit wem sie es zu tun haben.

Rechtsgrundlagen für Beseitigungsansprüche – Negative eBay-Bewertungen

Verschiedene Rechtsgrundlagen kommen bei dem Versuch, eine Bewertung löschen zu lassen, in Betracht:

  • § 823 Abs. 1 iVm § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB schützt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Grundlage für einen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch ist regelmäßig dann ein rechtswidriger Eingriff.
  • Daneben kann eine Bewertung unzulässig sein, wenn sie die Grenze zur Schmähkritik (§ 824 BGB) oder gar zu einer strafbaren Beleidigung (§ 185 StGB) überschreitet.
  • Auch aus nachvertraglicher Treuepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) kommen Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in Betracht, wenn etwa Rücksichtnahmepflichten in der Abwicklung des Vertrages verletzt werden.

Das Gericht hatte daher zu prüfen, ob die Bewertung im konkreten Fall gegen eines dieser Schutzgüter verstieß.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Bremen: Negative Bewertung als zulässige Meinungsäußerung

1. Keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs

Das Amtsgericht betonte zunächst, dass negative Bewertungen als subjektive Werturteile zu verstehen sind. Selbst wenn ein Verkäufer sich bei der Vertragsabwicklung formgerecht verhalten hat, sind Werturteile aufgrund individueller Enttäuschung zulässig – sie dienen gerade dazu, dem potenziellen Käufer einen genuinen Eindruck zu vermitteln.

Ein überwiegendes Schutzinteresse des Verkäufers besteht nach Ansicht des Gerichts in diesem System nicht, weil auch diesem Möglichkeiten der Gegendarstellung zur Verfügung stehen (z.B. durch einen öffentlichen Kommentar zur Bewertung).

2. Bewertung ist zulässig – auch wenn sie emotional formuliert ist

Besonders interessant ist die Einschätzung des Gerichts zur Formulierung „übelste Abzocke“. Gerade auf Bewertungsplattformen sind zugespitzte und polemische Formulierungen keine Seltenheit. Entscheidend ist jedoch, dass der Kommentar nicht allein auf Diffamierung oder Herabwürdigung zielt, sondern sich inhaltlich noch auf eine konkrete Transaktion bezieht. Hier richtete sich der Kommentar explizit auf die Versandkostenpraxis – eine Thematik, die sogar im Rechtsrahmen zumindest als diskussionswürdig galt (siehe dazu auch unten das Thema europarechtliche Vorgaben zur Rückerstattung von Versandkosten).

Das Gericht bekräftigt: Die Kritik ist von der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gedeckt. Händler müssen Kritik, selbst in überspitzter Form, hinnehmen, solange der Bezug zur Sache erkennbar bleibt.

3. Versandkosten im Fokus – Europarecht als Maßstab

Ein zusätzlicher Aspekt, den das Gericht aufgegriffen hat, ist die Unsicherheit bezüglich der gesetzlichen Rückzahlungspflicht hinsichtlich der Versandkosten im Falle eines Widerrufs. Zwar sah sich die Klägerin durch ihre AGB im Recht, die Hinsendekosten einzubehalten; das Gericht aber wies darauf hin, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts im Lichte der europäischen Fernabsatzrichtlinie eine Pflicht zur Erstattung zumindest möglich erscheinen ließ. So hatte bereits der Bundesgerichtshof Zweifel an der vollständigen Rechtmäßigkeit der „kosteneinbehaltenden“ Praxis geäußert.

Für die Bewertungspraxis bedeutet das: Selbst wenn ein Onlinehändler sich vermeintlich rechtmäßig verhält, dürfen Käufer die für sie bestehenden Unsicherheiten oder Unzufriedenheiten zum Ausdruck bringen. Die Schwelle zur Unzulässigkeit wird erst mit gezielten Unwahrheiten oder reiner Schmähkritik überschritten.

4. Keine Haftung für Anwaltskosten

Die Klägerin verlangte zudem die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten, mit der Begründung, der Käufer hätte den Kommentar entfernen müssen. Auch hier entschied das Gericht eindeutig: Keine Pflicht zur Entfernung – folglich auch kein Anspruch auf Kostenerstattung.

Die Grenzen zulässiger Bewertungskritik bei eBay und anderen Plattformen – Negative eBay-Bewertungen

Spannend am Bremer Urteil ist der liberale Ansatz zur Meinungsäußerung im Internet. Selbst scharfe Kritik, die aus Sicht der betroffenen Händler als geschäftsschädigend empfunden wird, ist vom Schutzbereich des Grundgesetzes umfasst, wenn ein sachlicher Bezug zur Transaktion erkennbar bleibt. Das Gericht betont dabei mehrere Grundsätze:

  • Bewertungen dienen dem Erfahrungsaustausch – sie sind subjektiv und dürfen es auch sein.
  • Die Formulierung darf emotional und zugespitzt sein; eine rote Linie verläuft dort, wo aus Kritik persönliche Herabwürdigung oder Schmähung wird.
  • Händler bewegen sich freiwillig in Bewertungsumgebungen und profitieren im Regelfall von positiven Äußerungen. Sie müssen sich in diesem Umfeld aber auch irrelevante oder unangenehme Meinungsbekundungen gefallen lassen.
  • Ein Monopol auf die „Wahrheit“ über eine Transaktion gibt es nicht – jede Partei hat eine eigene Sicht der Dinge, und eine Bewertung führt diese subjektiven Perspektiven zusammen.

Praktische Handlungsempfehlungen für Unternehmer

1. Umfassende Vorbereitung auf negative Bewertungen

Händler sollten akzeptieren, dass negative Bewertungen Teil des Systems sind – auch, wenn sie im Einzelfall als ungerecht oder überzogen empfunden werden. Im Zweifel kann eine sachliche, öffentliche Antwort helfen, das eigene Verhalten ins rechte Licht zu rücken und anderen Kunden die Faktenlage zu erklären.

2. AGB und Widerrufsgestaltung rechtskonform prüfen

Das Bremer Urteil macht deutlich: Nicht jede in den AGB untergebrachte Regel ist rechtlich unangreifbar. Wer im E-Commerce unterwegs ist, sollte insbesondere die Kostenregelungen beim Widerruf regelmäßig daraufhin überprüfen, ob sie dem aktuellen Stand der Rechtsprechung und Europarechtsprechung entsprechen.

3. Sorgfältige Dokumentation und Kommunikation mit Kunden

Sollte es zu Kritik kommen, helfen eine lückenlose Dokumentation des Sachverhalts und eine proaktive wie lösungsorientierte Kommunikation. Ein moderater Ton im Umgang mit Reklamationen und Beschwerden zahlt sich häufig aus – nicht selten lassen sich Streitigkeiten einvernehmlich lösen, bevor sie öffentlich ausgetragen werden.

4. Rechtsweg nicht als Allzweckwaffe nutzen – Negative eBay-Bewertungen

Die Schwelle für einen erfolgreichen Löschungsanspruch ist hoch. Händler sollten sorgfältig abwägen, ob der Gang vor Gericht lohnend ist. Häufig erscheinen die Kosten und der Imageverlust im Rahmen eines öffentlichen Rechtsstreits nicht im Verhältnis zum Nutzen.

Auch für Käufer: Vorsicht und Fairness sind gefragt

Verbraucher dürfen und sollen negative Erfahrungen frei äußern, müssen aber Grundsätze der Fairness und Wahrheit beachten. Wer unwahre Tatsachen oder reine Schmähkritik äußert, riskiert Unterlassungsansprüche oder sogar Schadensersatzforderungen. Eine ehrliche, sachliche und begründete Bewertung bleibt aber ein Grundpfeiler des Onlinehandels und ist durch die Meinungsfreiheit grundrechtlich geschützt.

Fazit: Negative eBay-Bewertungen sind (meist) zulässig – Händler haben nur eingeschränkte Abwehrmöglichkeiten

Das Urteil des AG Bremen ist – auch heute, mehr als 10 Jahre später – ein wichtiger Meilenstein für den Umgang mit Bewertungen in digitalen Märkten. Es zeigt, dass Anbieter auf Plattformen wie eBay ein Stück weit mit der Unsicherheit leben müssen, dass nicht jede Bewertung zu ihren Gunsten ausfällt. Die Chancen auf eine gerichtliche Entfernung werden vorrangig dort bestehen, wo eine Bewertung nachweislich unwahr, beleidigend oder völlig losgelöst von der Sache veröffentlicht wurde.

Für Unternehmen und Selbstständige gilt: Ein professionelles Reputationsmanagement bedeutet heute nicht nur, Negatives möglichst zu verhindern, sondern vor allem, souverän und transparent mit Kritik umzugehen. Ein besonnenes Krisenmanagement und kontinuierliche rechtliche Überprüfung der eigenen AGB und Handlungsstrategien verschaffen dabei die notwendige Sicherheit.

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Rechtsanwalt Thomas Feil
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