Hacker am Gartenzaun: Wer trägt den Schaden bei Zahlungen auf ein falsches Konto?

Ein erfolgreich abgeschlossener Auftrag, die Rechnung ist versendet – als Unternehmer wartet man nun auf den verdienten Lohn. Doch was, wenn das Geld zwar fließt, aber nie auf dem eigenen Geschäftskonto ankommt? Zahlung auf falsches Konto?

Dieses Szenario, das für viele Selbstständige und Unternehmen eine existenzielle Bedrohung darstellen kann, wurde kürzlich in einem aufschlussreichen Urteil des Landgerichts Koblenz verhandelt. Der Fall zeigt eindrücklich, wie schnell die digitale Kommunikation zur Falle werden kann und wirft eine entscheidende Frage auf: Wer haftet, wenn Betrüger eine E-Mail-Kommunikation kapern und Zahlungen auf ein fremdes Konto umleiten?

Der Fall: Ein Zaunbau, eine gehackte E-Mail und eine fatale Überweisung – Zahlung auf falsches Konto

Die Ausgangslage schien alltäglich: Ein Unternehmer führte für einen Kunden Zaunbauarbeiten im Wert von 11.000 Euro aus und übermittelte die Rechnung ordnungsgemäß per E-Mail. Der Kunde wiederum wollte die Rechnung begleichen. Doch die digitale Kommunikation wurde von Dritten manipuliert.

Nach dem Versand der ursprünglichen Rechnung erhielt der Kunde eine weitere E-Mail vom selben Absenderkonto. Darin wurde er angewiesen, die Zahlung vorerst zurückzuhalten, da sich die Bankverbindung geändert habe. Kurz darauf folgte eine neue E-Mail mit den neuen Kontodaten – die zu einem Betrüger gehörten. Der Kunde überwies die gesamte Summe in zwei Raten an diese neue IBAN und schickte zur Bestätigung Screenshots der Überweisungen per WhatsApp an den Unternehmer.

Als der Unternehmer keinen Zahlungseingang feststellen konnte, flog der Betrug auf. Das Geld war verloren, und die ursprüngliche Rechnung über 11.000 Euro blieb unbezahlt. Die Situation führte unweigerlich zum Rechtsstreit: Der Unternehmer forderte weiterhin seinen Werklohn, während der Kunde argumentierte, er habe seine Schuld bereits beglichen. Zahlung auf falsches Konto!

Die Entscheidung des Landgerichts Koblenz: Eine geteilte Verantwortung

Das Landgericht Koblenz hat in seiner Entscheidung (Az. 8 O 271/22) eine differenzierte und für die digitale Geschäftswelt wegweisende Lösung gefunden. Es verteilte die Verantwortung auf beide Parteien und begründete dies mit überzeugenden Argumenten, die sowohl die Pflichten des Rechnungsstellers als auch die des Zahlenden beleuchten.

1. Die Zahlung an den Betrüger befreit den Kunden nicht von seiner Schuld

Zunächst stellte das Gericht klar, dass die Zahlung auf das Konto des Betrügers den Kunden nicht von seiner ursprünglichen Zahlungspflicht gegenüber dem Unternehmer befreit hat. Das Risiko, dass eine Zahlung auf dem Übermittlungsweg verloren geht oder falsch geleitet wird, liegt grundsätzlich beim Schuldner, also beim zahlenden Kunden. Die alleinige Tatsache, dass die betrügerische E-Mail vom Account des Unternehmers versendet wurde, reicht nicht aus, um von einer wirksamen Mitteilung durch den Unternehmer auszugehen. Gerichte und die Geschäftswelt wissen, dass E-Mail-Konten ein häufiges Ziel von Hackerangriffen sind. Wer diesen unsicheren Kommunikationsweg wählt, nimmt das damit verbundene Risiko bewusst in Kauf.

2. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer wegen mangelnder Datensicherheit

Hier nahm der Fall jedoch eine entscheidende Wendung. Das Gericht erkannte an, dass der Unternehmer eine Mitschuld trägt. Als Verantwortlicher im Sinne der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist er verpflichtet, die personenbezogenen Daten seiner Kunden – wozu auch die E-Mail-Adresse und die Rechnungsdetails gehören – durch angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zu schützen.

Indem sein E-Mail-Konto gehackt werden konnte, hat der Unternehmer diese Pflicht verletzt. Diese Datenschutzverletzung ermöglichte erst den Schaden des Kunden. Aus diesem Grund sprach das Gericht dem Kunden einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO gegen den Unternehmer zu.

3. Das erhebliche Mitverschulden des Kunden – Zahlung auf falsches Konto

Gleichzeitig betonte das Gericht das erhebliche Mitverschulden des Kunden. Ihm wurde eine neue Bankverbindung mitgeteilt, die auf einen völlig fremden Namen lief. Spätestens in diesem Moment hätte er misstrauisch werden und durch einen kurzen Anruf oder eine Nachricht über einen anderen Kanal (wie das bereits genutzte WhatsApp) beim Unternehmer nachfragen müssen. Diese einfache und zumutbare Überprüfung hätte den gesamten Schaden verhindert.

Auch die per WhatsApp versendeten Screenshots der Überweisung entlasteten den Kunden nicht. Das Gericht argumentierte praxisnah, dass WhatsApp ein Medium für schnelle, oft unterwegs gelesene Nachrichten sei. Vom Empfänger könne nicht erwartet werden, einen solchen Screenshot einer genauen Prüfung zu unterziehen und die dort abgebildete IBAN mit den eigenen Daten abzugleichen. Die primäre Verantwortung für die korrekte Zahlung verblieb beim Kunden.

4. Das Urteil : Eine Haftungsverteilung von 75 % zu 25 %

Aufgrund dieser Abwägungen kam das Gericht zu einer Quotelung des Schadens. Das überwiegende Verschulden sah es beim Kunden, der die offensichtlichen Warnsignale ignoriert hatte. Das Verschulden des Unternehmers durch die mangelnde IT-Sicherheit wurde als geringer bewertet. Daher wurde der Schaden im Verhältnis 75 % zu Lasten des Kunden und 25 % zu Lasten des Unternehmers aufgeteilt.

Im Ergebnis konnte der Kunde von der ursprünglichen Forderung in Höhe von 11.000 Euro nur 2.750 Euro (25 %) als Schadensersatz abziehen. Die restlichen 8.250 Euro musste er weiterhin an den Unternehmer zahlen.

Was dieses Urteil für Ihre unternehmerische Praxis bedeutet – Zahlung auf falsches Konto

Dieses Urteil ist mehr als nur eine Einzelfallentscheidung; es ist ein klares Signal für die Notwendigkeit digitaler Sorgfalt im Geschäftsverkehr. Für Sie als Unternehmer, Freiberufler oder Arzt ergeben sich daraus zwei zentrale Handlungsfelder:

  1. Schützen Sie Ihre digitale Kommunikation proaktiv: Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht die enorme Bedeutung der IT-Sicherheit und der DSGVO-Konformität. Sichern Sie Ihre E-Mail-Konten mit starken, einzigartigen Passwörtern und, wo immer möglich, mit einer Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA). Schulen Sie sich und Ihre Mitarbeiter darin, Phishing-Versuche zu erkennen. Eine Investition in die Sicherheit Ihrer Systeme ist eine Investition in den Schutz Ihres Unternehmens vor finanziellen Verlusten und Reputationsschäden.
  2. Seien Sie bei Zahlungsvorgängen stets wachsam: Misstrauen ist bei einer plötzlichen Änderung von Bankdaten immer geboten. Etablieren Sie für sich und Ihre Geschäftspartner klare Prozesse. Überprüfen Sie solche Mitteilungen immer über einen zweiten, unabhängigen Kommunikationskanal. Ein kurzer Anruf bei einer Ihnen bekannten Telefonnummer ist die effektivste und einfachste Methode, um Betrug zu verhindern.

Fazit Zahlung auf falsches Konto: Digitale Risiken strategisch managen

Der Fall „Hacker am Gartenzaun“ zeigt, dass die digitale Welt sowohl Effizienz als auch erhebliche Risiken birgt. Die rechtliche Verantwortung bei Betrugsfällen wird oft geteilt, doch der finanzielle und administrative Aufwand trifft immer beide Seiten. Ein strategischer und präventiver Ansatz im Umgang mit digitaler Kommunikation und Datensicherheit ist daher unerlässlich.

Sollten Sie Opfer eines solchen Betrugs geworden sein oder Ihre internen Prozesse präventiv absichern wollen, stehe ich Ihnen mit meiner Expertise im IT-Recht und Reputationsmanagement zur Seite. Eine strategische und rechtssichere Vorgehensweise ist entscheidend, um finanzielle Schäden zu minimieren und Ihren guten Ruf zu schützen. Kontaktieren Sie mich für eine individuelle Beratung, um Ihre Abwehrmechanismen kompetent zu stärken.

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Rechtsanwalt Thomas Feil
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