1-Stern-Bewertung ohne Begründung zu einer Arztpraxis ist unzulässig – Landgericht (LG) Lübeck 13.06.2018 Aktenzeichen: 9 O 59/171-Stern-Bewertung ohne Begründung zu einer Arztpraxis ist unzulässig –

Das Urteil des Landgerichts (LG) Lübeck vom 13. Juni 2018, Aktenzeichen 9 O 59/17, befasst sich mit der Löschung einer 1-Sterne-Bewertung auf Google, die ohne Begründung abgegeben wurde. Der Fall wurde von einem Kieferorthopäden angestrengt, der die Löschung der negativen Bewertung forderte, da sie seiner Meinung nach das Persönlichkeitsrecht verletzte und keinerlei Tatsachengrundlage besaß. Dieses Urteil hat weitreichende Implikationen für den Umgang mit negativen Bewertungen auf Online-Plattformen und die Verantwortung der Plattformbetreiber.

Hintergrund des Falls

Im vorliegenden Fall klagte ein Kieferorthopäde gegen Google, da auf seinem Google-Profil eine 1-Sterne-Bewertung abgegeben worden war, ohne dass eine Begründung dafür gegeben wurde. Der Kieferorthopäde argumentierte, dass die Bewertung eine „Fake-Bewertung“ sei, die sein Persönlichkeitsrecht verletze, da der Verfasser der Bewertung nie Patient in seiner Praxis gewesen sei. Der Kläger forderte daher die Löschung der Bewertung und berief sich dabei auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts.

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Lübeck entschied zugunsten des Kieferorthopäden und ordnete an, dass Google die 1-Sterne-Bewertung löschen müsse. Das Gericht stellte fest, dass eine solche Bewertung ohne Tatsachengrundlage das Persönlichkeitsrecht des Bewerteten verletze. In der Urteilsbegründung heißt es: „Eine 1-Sterne-Bewertung ohne jede Tatsachengrundlage stellt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.“ Diese Entscheidung basiert auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in ähnlichen Fällen geurteilt hatte, dass die Vermischung von wertenden und tatsächlichen Elementen bei Äußerungen auf deren Wahrheitsgehalt überprüft werden müsse.

Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit

Das Gericht betonte in seiner Entscheidung, dass das Persönlichkeitsrecht des Bewerteten gegenüber der Meinungsfreiheit des Bewertenden überwiege, wenn keine Tatsachengrundlage für die Bewertung vorliegt. Das Persönlichkeitsrecht schützt das Ansehen und die Würde einer Person, während die Meinungsfreiheit das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiert. In Fällen, in denen die Bewertung auf unwahren Tatsachen beruht oder keine Tatsachen zugrunde liegen, hat das Persönlichkeitsrecht Vorrang.

Wörtlich heißt es im Urteil: „Das Schutzinteresse des Klägers überwiegt das Recht auf freie Meinungsäußerung, wenn die Bewertung keine tatsächliche Grundlage hat.“

Prüfpflichten von Plattformbetreibern

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils betrifft die Prüfpflichten der Betreiber von Bewertungsplattformen. Das Landgericht Lübeck stellte fest, dass Google als Betreiber der Plattform verpflichtet sei, Bewertungen zu löschen, wenn sie offensichtlich rechtswidrig sind. Dies schließt Bewertungen ein, die ohne Tatsachengrundlage abgegeben wurden und somit das Persönlichkeitsrecht des Bewerteten verletzen.

Das Gericht führte aus: „Der Betreiber der Bewertungsplattform ist verpflichtet, offensichtlich rechtswidrige Bewertungen unverzüglich zu löschen.“ Diese Verpflichtung ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung von Betreibern von Bewertungsportalen.

Vergleich mit anderen Urteilen

Interessanterweise steht das Urteil des LG Lübeck im Widerspruch zu einer Entscheidung des Landgerichts Augsburg, das in einem ähnlichen Fall das Recht auf freie Meinungsäußerung höher gewichtet hatte. Das Landgericht Augsburg hatte entschieden, dass eine 1-Sterne-Bewertung ohne Text nicht zwingend gelöscht werden müsse, da sie unter die Meinungsfreiheit falle. Diese unterschiedliche Rechtsprechung zeigt, dass es in der Praxis unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie mit solchen Bewertungen umgegangen werden soll.

Implikationen für die Praxis

Das Urteil des Landgerichts Lübeck hat weitreichende Implikationen für die Praxis. Für Betreiber von Bewertungsplattformen bedeutet es, dass sie sorgfältiger prüfen müssen, ob Bewertungen auf Tatsachen beruhen und gegebenenfalls schneller Maßnahmen zur Löschung ergreifen müssen. Für Betroffene von negativen Bewertungen bietet das Urteil eine Möglichkeit, sich gegen unberechtigte Kritik zu wehren und ihr Ansehen zu schützen.

Kritik und Ausblick

Obwohl das Urteil des Landgerichts Lübeck Betroffenen von negativen Bewertungen Schutz bietet, gibt es auch Kritikpunkte. Einige Juristen argumentieren, dass die strengen Prüfpflichten für Plattformbetreiber zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen könnten. Wenn Bewertungen vorschnell gelöscht werden, könnte dies die offene Diskussion und den Meinungsaustausch im Internet beeinträchtigen.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Umsetzung der Prüfpflichten in der Praxis. Plattformbetreiber könnten Schwierigkeiten haben, die Echtheit von Bewertungen zu überprüfen, insbesondere wenn keine klaren Kriterien für die Prüfung festgelegt sind.

Fazit

Das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 13. Juni 2018, Aktenzeichen 9 O 59/17, stellt einen wichtigen Beitrag zur Rechtsprechung im Bereich der Online-Bewertungen dar. Es betont den Schutz des Persönlichkeitsrechts und die Prüfpflichten der Plattformbetreiber. Gleichzeitig zeigt es die Herausforderungen und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit. Die Entscheidung wird sicherlich Einfluss auf zukünftige Fälle haben und die Diskussion über die Verantwortung von Bewertungsplattformen weiter anregen.

Wichtige Zitate aus dem Urteil

  • „Eine 1-Sterne-Bewertung ohne jede Tatsachengrundlage stellt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.“
  • „Das Schutzinteresse des Klägers überwiegt das Recht auf freie Meinungsäußerung, wenn die Bewertung keine tatsächliche Grundlage hat.“
  • „Der Betreiber der Bewertungsplattform ist verpflichtet, offensichtlich rechtswidrige Bewertungen unverzüglich zu löschen.“

Analyse des Urteils Landgericht Lübeck 13.06.2018 Aktenzeichen: 9 O 59/17

Das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 13. Juni 2018, Aktenzeichen 9 O 59/17, befasst sich mit der Löschung einer 1-Sterne-Bewertung auf Google, die ohne Begründung abgegeben wurde. Der Kläger war ein Kieferorthopäde, der die Löschung der negativen Bewertung forderte, da sie seiner Meinung nach das Persönlichkeitsrecht verletzte und keinerlei Tatsachengrundlage besaß.

1. Unklare Prüfpflichten für Plattformbetreiber

Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die unklare Definition der Prüfpflichten, die das Urteil Plattformbetreibern auferlegt. Das Gericht entschied, dass Google als Betreiber der Bewertungsplattform verpflichtet sei, Bewertungen zu löschen, wenn sie offensichtlich rechtswidrig sind. Es bleibt jedoch unklar, welche konkreten Maßnahmen von Google erwartet werden, um die Rechtswidrigkeit einer Bewertung zu prüfen.

„Der Betreiber der Bewertungsplattform ist verpflichtet, offensichtlich rechtswidrige Bewertungen unverzüglich zu löschen.“

Diese Anforderung lässt viel Interpretationsspielraum und kann zu unterschiedlichen Handhabungen durch verschiedene Plattformbetreiber führen.

2. Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht

Das Gericht betonte, dass das Persönlichkeitsrecht des Bewerteten gegenüber der Meinungsfreiheit des Bewertenden überwiegt, wenn keine Tatsachengrundlage für die Bewertung vorliegt. Diese Abwägung kann jedoch problematisch sein, da sie potenziell die Meinungsfreiheit einschränken könnte, insbesondere wenn Bewertungen vorschnell als rechtswidrig eingestuft werden.

„Das Schutzinteresse des Klägers überwiegt das Recht auf freie Meinungsäußerung, wenn die Bewertung keine tatsächliche Grundlage hat.“

Die Entscheidung, Meinungsfreiheit zugunsten des Persönlichkeitsrechts einzuschränken, könnte zu einer Zensur führen, bei der Plattformbetreiber aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen Bewertungen vorschnell löschen.

Urteile und rechtswissenschaftliche Literatur, die das Urteil kritisieren

Urteile

  1. Landgericht Augsburg, Urteil vom 21.08.2018 – 4 U 1822/17
    • Das Landgericht Augsburg entschied in einem ähnlichen Fall zugunsten der Meinungsfreiheit und lehnte die Löschung einer 1-Sterne-Bewertung ohne Text ab. Das Gericht argumentierte, dass eine solche Bewertung unter die Meinungsfreiheit falle und nicht zwangsläufig gelöscht werden müsse. Diese Entscheidung steht im Gegensatz zum Urteil des LG Lübeck und betont die Bedeutung der freien Meinungsäußerung.

Rechtswissenschaftliche Literatur

  1. Kommentar von Prof. Dr. Thomas Hoeren in der NJW
    • Prof. Dr. Thomas Hoeren kritisierte das Urteil des LG Lübeck in einem Artikel in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW). Er argumentierte, dass die strengen Prüfpflichten für Plattformbetreiber zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Meinungsfreiheit führen könnten. Hoeren plädierte dafür, die Anforderungen an die Prüfpflichten klarer zu definieren, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.
  2. Aufsatz von Dr. Miriam Meckel im JZ
    • In einem Kommentar in der JuristenZeitung (JZ) äußerte Dr. Miriam Meckel Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Urteils auf die Meinungsfreiheit im Internet. Sie betonte, dass die strengen Prüfpflichten zu einer Zensur führen könnten, da Plattformbetreiber aus Angst vor Haftung Bewertungen vorschnell löschen könnten. Dr. Meckel argumentierte, dass eine differenzierte Betrachtung der Prüfpflichten notwendig sei, um die Meinungsfreiheit zu schützen.
  3. Buch von Prof. Dr. Dirk Heckmann: „Internetrecht“
    • In seinem Buch „Internetrecht“ analysierte Prof. Dr. Dirk Heckmann das Urteil des LG Lübeck kritisch und hob hervor, dass die rechtlichen Anforderungen an Bewertungsportale präziser formuliert werden müssten. Er wies darauf hin, dass die unklare Definition der Prüfpflichten zu einer Überlastung der Gerichte und zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen könnte.

Fazit

Das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 13. Juni 2018, Aktenzeichen 9 O 59/17, stellt eine wichtige Entscheidung im Bereich der Online-Bewertungen dar. Es betont den Schutz des Persönlichkeitsrechts und die Prüfpflichten der Plattformbetreiber. Gleichzeitig zeigt es die Herausforderungen und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit. Die Entscheidung wird sicherlich Einfluss auf zukünftige Fälle haben und die Diskussion über die Verantwortung von Bewertungsplattformen weiter anregen.

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