In der digitalen Arbeitswelt haben sich Arbeitgeberbewertungsplattformen wie Kununukununu ist eine Online-Plattform, die es Arbeitnehmern und B... Mehr zu unverzichtbaren Instrumenten entwickelt. Sie bieten Arbeitnehmern die Möglichkeit, ihre Erfahrungen anonym zu teilen, während Jobsuchende wertvolle Einblicke in potenzielle Arbeitgeber erhalten. Die Anonymität der Bewertenden stellt dabei ein zentrales Element dar, denn sie ermöglicht eine offene und unverfälschte MeinungsäußerungEine Meinungsäußerung ist die Verbalisierung oder schriftl... Mehr ohne Furcht vor negativen Konsequenzen. Doch wie weit reicht dieser Schutz der Anonymität? Unter welchen Umständen können Arbeitgeber die Identität der Bewertenden erfahren? Dieser Blogbeitrag beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen und aktuelle Gerichtsentscheidungen zu diesem brisanten Thema.
Die rechtliche Grundlage: § 21 Abs. 2 TDDDG
Im Zentrum der rechtlichen Diskussion steht der noch relativ unbekannte § 21 Abs. 2 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TDDDG). Diese Vorschrift regelt, unter welchen Umständen Plattformbetreiber die Identität ihrer Nutzer offenlegen müssen:
Nach § 21 Abs. 2 S. 1 TDDDG darf der Anbieter digitaler Dienste im Einzelfall Auskunft über vorhandene Bestandsdaten erteilen, wenn dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist. Konkret bezieht sich dies auf Inhalte, die den Tatbestand bestimmter Strafgesetze erfüllen, darunter Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB).
Besonders relevant bei diesem Auskunftsanspruch: Er bezieht sich ausschließlich auf Bestandsdaten (wie Name, Anschrift, E-Mail-Adresse), nicht jedoch auf Nutzungsdaten wie IP-Adressen. Zudem muss die Rechtsverletzung einen strafrechtlich relevanten Charakter haben – eine rein zivilrechtliche Rechtsverletzung genügt nicht.
Aktuelle Rechtsprechung: Der Fall OLG Bamberg
Ein aktueller Fall vor dem OberlandesgerichtEin Oberlandesgericht (OLG) ist ein Gericht der oberen Insta... Mehr Bamberg (Az. 6 W 12/24 e) verdeutlicht, wie hoch die Hürden für einen solchen Auskunftsanspruch in der Praxis sind. In diesem Verfahren begehrte ein Handelsunternehmen Auskunft über Verfasser negativer BewertungenBewertungen sind Rückmeldungen oder Beurteilungen von Produ... Mehr auf einer Arbeitgeberbewertungsplattform. Die Bewertungen trugen Überschriften wie „Gezielte Repression!“ und „Katastrophe dieser Laden“.
Das OLG Bamberg wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück und begründete dies wie folgt:
- Der Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 2 TDDDG bezieht sich nur auf Bestandsdaten, nicht auf Nutzungsdaten wie IP-Adressen.
- In Bezug auf die Bestandsdaten waren die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nicht erfüllt, da keine Schmähkritik oder Formalbeleidigung vorlag.
- Da nicht eine bestimmte Person, sondern das Unternehmen als solches angesprochen wurde, käme nur eine sogenannte Kollektivbeleidigung in Betracht.
- Der Adressatenkreis der Bewertung war jedoch zu unbestimmt, sodass eine Strafbarkeit nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts für eine Kollektivbeleidigung zu verneinen war.
Das Gericht stellte damit klar: Negative Bewertungen allein reichen nicht aus, um die Identität der Verfasser zu erfahren. Es müssen konkrete strafrechtlich relevante Rechtsverletzungen vorliegen.
Der Fall Kununu vor dem LG Hamburg
Ein weiterer bedeutender Fall wurde vor dem LandgerichtEin Landgericht ist ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbar... Mehr Hamburg (Az. 324 O 559/23) verhandelt. Hier hatte ein Handelsunternehmen die Plattform Kununu aufgefordert, bestimmte negative Bewertungen zu löschen. Als Kununu nicht reagierte, beantragte das Unternehmen im Eilverfahren die Löschung der Bewertungen.
Daraufhin holte Kununu von den Verfassern Nachweise ein, dass diese tatsächlich beim Unternehmen beschäftigt waren, anonymisierte diese und übermittelte sie an das Unternehmen. Das LG Hamburg wies den Antrag des Unternehmens mit Beschluss vom 08.01.2024 ab, da es keine Zweifel an der Echtheit der Tätigkeitsnachweise sah.
Im Beschwerdeverfahren entschied das OLG Hamburg (Az. 7 W 11/24) zunächst anders und untersagte Kununu die Veröffentlichung der Bewertungen. Das Gericht argumentierte, dass anonymisierte Tätigkeitsnachweise nicht ausreichten, um die Authentizität der Bewertungen zu belegen. Das Unternehmen müsse die Namen der Bewerter kennen, um die Rechtmäßigkeit der Bewertungen prüfen zu können.
Bemerkenswert ist jedoch, dass das LG Hamburg im nachfolgenden Hauptsacheverfahren mit Entscheidung vom 26.04.2025 die einstweilige Verfügung des OLG Hamburg wieder aufhob. Die Begründung: Auch ein anonymisierter Tätigkeitsnachweis ermögliche es dem Unternehmen grundsätzlich, das tatsächliche Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses zu prüfen. Der Klarname sei hierfür nicht zwingend erforderlich.
Aktuell ist das Verfahren beim OLG Hamburg (Az. 7 U 31/24) anhängig. Die endgültige Entscheidung steht noch aus und könnte richtungsweisend für die zukünftige Handhabung anonymer Arbeitgeberbewertungen sein.
Balanceakt zwischen Meinungsfreiheit und Unternehmensschutz
Die Rechtsprechung versucht, einen angemessenen Ausgleich zwischen verschiedenen rechtlichen Interessen zu finden:
- Meinungsfreiheit der Arbeitnehmer: Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG schützt auch kritische Äußerungen über Arbeitgeber.
- Schutz der Unternehmensinteressen: Unternehmen haben ein berechtigtes Interesse, sich gegen unwahre oder diffamierende Behauptungen zu wehren.
- Datenschutz der Nutzer: Die Identität der Bewertenden genießt datenschutzrechtlichen Schutz.
- Authentizität der Bewertungen: Es besteht ein allgemeines Interesse daran, dass nur tatsächliche (ehemalige) Mitarbeiter Bewertungen abgeben können.
Die Gerichte scheinen dabei zunehmend einen pragmatischen Ansatz zu verfolgen: Ein anonymisierter Nachweis des Beschäftigungsverhältnisses kann ausreichen, um die Authentizität einer Bewertung zu belegen, ohne die vollständige Identität des Bewertenden preiszugeben.
Bedeutung für die Praxis
Für die verschiedenen Beteiligten ergeben sich aus der aktuellen Rechtslage folgende Schlussfolgerungen:
Für Arbeitnehmer:
- Die Anonymität bei Arbeitgeberbewertungen bleibt grundsätzlich geschützt.
- Bei strafrechtlich relevanten Äußerungen (Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung) besteht jedoch die Gefahr einer Identitätsaufdeckung.
- Sachliche Kritik, auch wenn sie negativ ist, führt in der Regel nicht zur Offenlegung der Identität.
Für Arbeitgeber:
- Ein Anspruch auf Offenlegung der Identität von Bewertern besteht nur bei strafrechtlich relevanten Inhalten.
- Die Hürden für eine erfolgreiche Durchsetzung eines Auskunftsanspruchs sind hoch.
- Ein anonymisierter Tätigkeitsnachweis kann als ausreichend betrachtet werden, um die Authentizität einer Bewertung zu überprüfen.
Für Plattformbetreiber:
- Bewertungsplattformen sollten Verfahren zur Verifizierung der Authentizität von Bewertungen implementieren.
- Bei Streitigkeiten kann die Vorlage anonymisierter Tätigkeitsnachweise ein praktikables Mittel darstellen.
- Eine Herausgabe von Bestandsdaten ist nur bei strafrechtlich relevanten Inhalten erforderlich.
Fazit
Die Anonymität auf Arbeitgeberbewertungsplattformen ist ein hohes Gut, das sowohl für die Nutzer als auch für die Plattformbetreiber von elementarer Bedeutung ist. Die jüngsten Gerichtsentscheidungen bestätigen, dass negative Bewertungen grundsätzlich vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind und hingenommen werden müssen, solange sie keine rechtsverletzenden Inhalte aufweisen.
Der Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 2 TDDDG stellt dabei eine wichtige rechtliche Grenze dar: Nur bei strafrechtlich relevanten Äußerungen können Arbeitgeber einen Anspruch auf Offenlegung der Identität des Bewertenden haben. In den meisten Fällen dürfte jedoch die Vorlage eines anonymisierten Tätigkeitsnachweises ausreichen, um die Authentizität einer Bewertung zu belegen.
Die endgültige Entscheidung des OLG Hamburg im anhängigen Verfahren wird mit Spannung erwartet, da sie möglicherweise neue Maßstäbe für den Umgang mit anonymen Arbeitgeberbewertungen setzen wird. Bis dahin gilt: Arbeitnehmer sollten bei ihren Bewertungen sachlich bleiben, Arbeitgeber sollten auch mit Kritik konstruktiv umgehen, und Plattformbetreiber sollten für ausreichende Verifizierungsmechanismen sorgen, die sowohl die Anonymität der Bewertenden als auch die Interessen der bewerteten Unternehmen angemessen berücksichtigen.
Die Balance zwischen Meinungsfreiheit, Datenschutz und Unternehmensinteressen bleibt eine Herausforderung – aber eine, die mit den bestehenden rechtlichen Instrumenten durchaus bewältigt werden kann.