Bewertung mit einem Stern bei Google zulässig? OLG Köln, Urteil vom 26.06.2019, Az. 15 U 91/19Bewertung mit einem Stern bei Google zulässig?

Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 26. Juni 2019, Aktenzeichen 15 U 91/19, behandelt die rechtliche Einordnung und die Folgen einer kommentarlosen 1-Stern-Bewertung auf einem Bewertungsportal. Das Gericht entschied, dass eine solche Bewertung als Meinungsäußerung einzustufen ist und stellte fest, welche Pflichten den Betreiber des Bewertungsportals in diesem Zusammenhang treffen.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatte ein Nutzer eines Bewertungsportals einem Unternehmen eine 1-Stern-Bewertung ohne weiteren Kommentar gegeben. Der Betreiber des Bewertungsportals veröffentlichte diese Bewertung, was das bewertete Unternehmen dazu veranlasste, rechtliche Schritte einzuleiten. Das Unternehmen argumentierte, dass die Bewertung sein Ansehen erheblich schädige und unzulässig sei, da sie keine Tatsachenbehauptungen enthalte, die überprüfbar seien.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Köln entschied, dass eine kommentarlos abgegebene 1-Stern-Bewertung als zulässige Meinungsäußerung anzusehen ist. Das Gericht führte aus, dass auch eine Bewertung ohne konkreten Kommentar durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt sei, solange sie nicht beleidigend oder schmähend sei. In diesem Zusammenhang stellte das Gericht klar, dass eine Meinungsäußerung auch ohne die Nennung konkreter Tatsachen zulässig sein kann, da sie die subjektive Einschätzung des Nutzers widerspiegelt.

Prüfpflichten des Portalbetreibers

Das Gericht beschäftigte sich zudem ausführlich mit den Pflichten des Betreibers des Bewertungsportals. Es stellte fest, dass der Betreiber nicht verpflichtet ist, jede Bewertung vor der Veröffentlichung auf mögliche Rechtsverletzungen zu überprüfen. Eine solche allgemeine Prüfpflicht würde den Betrieb des Portals erheblich erschweren und der Meinungsfreiheit der Nutzer entgegenstehen.

Jedoch besteht eine Prüfpflicht des Betreibers, sobald konkrete Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung vorliegen. Das bedeutet, dass der Betreiber auf Hinweise oder Beschwerden über rechtswidrige Bewertungen reagieren und diese prüfen muss. Dabei hat der Betreiber die sekundäre Darlegungslast, das heißt, er muss darlegen, dass er alles ihm Zumutbare unternommen hat, um die Bewertung zu überprüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Entfernung der Bewertung zu ergreifen.

Sekundäre Darlegungslast

Das Gericht betonte, dass der Portalbetreiber im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast nachweisen muss, dass er Schritte unternommen hat, um die Bewertung zu überprüfen. Dazu gehört unter anderem die Kontaktaufnahme mit dem Bewerter, um zusätzliche Informationen über den Hintergrund der Bewertung zu erhalten. In Fällen, in denen der Bewerter keine weiteren Informationen bereitstellt oder sich herausstellt, dass die Bewertung tatsächlich unzutreffend ist, ist der Betreiber verpflichtet, die Bewertung zu entfernen.

Begründung des Urteils

Das OLG Köln begründete seine Entscheidung unter anderem mit dem Argument, dass Bewertungen in der Regel subjektive Meinungen darstellen und als solche grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Auch wenn eine Bewertung negativ ausfällt, handelt es sich nicht automatisch um eine rechtswidrige Schmähkritik, solange sie keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthält.

Das Gericht stellte ferner fest, dass der Betreiber eines Bewertungsportals nicht die gleichen Pflichten hat wie ein klassischer Verlag oder ein Rundfunkveranstalter. Eine allgemeine Prüfpflicht würde die Funktionsfähigkeit solcher Plattformen und damit die Meinungsvielfalt im Internet erheblich beeinträchtigen.

Zitat aus dem Urteil

„Eine kommentarlos abgegebene 1-Stern-Bewertung stellt eine zulässige Meinungsäußerung dar, die vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist, solange sie nicht beleidigend oder schmähend ist.“

Reaktionen und Kritik

Das Urteil des OLG Köln wurde in der juristischen Fachwelt unterschiedlich aufgenommen. Einige Experten lobten die Entscheidung als wichtigen Beitrag zum Schutz der Meinungsfreiheit im Internet. Sie betonten, dass Bewertungen ein wesentlicher Bestandteil des digitalen Austauschs und der Verbraucherinformation sind und daher besonders geschützt werden müssen.

Kritiker hingegen argumentierten, dass das Urteil die Rechte der betroffenen Unternehmen und Einzelpersonen nicht ausreichend berücksichtigt. Sie warnten davor, dass das Urteil missbraucht werden könnte, um gezielte Rufschädigungen durch falsche oder unbegründete Bewertungen zu ermöglichen. Diese Stimmen forderten eine stärkere Verantwortung der Portalbetreiber und eine klarere Regelung der Prüfpflichten, um Missbrauch vorzubeugen.

Zusammenfassung des Urteils

Das Urteil des OLG Köln vom 26. Juni 2019 setzt einen wichtigen rechtlichen Rahmen für den Umgang mit kommentarlosen Bewertungen auf Bewertungsportalen. Es stärkt die Meinungsfreiheit der Nutzer und stellt gleichzeitig klar, welche Pflichten die Betreiber solcher Plattformen haben. Die Entscheidung zeigt, dass die rechtliche Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz weiterhin ein komplexes und dynamisches Feld bleibt, das eine kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung der Rechtsprechung erfordert.

Analyse des Urteils

Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 26.06.2019, Az. 15 U 91/19, behandelt die Bewertung eines Unternehmens durch einen anonymen Nutzer auf einer Online-Plattform. Es stellt wesentliche Fragen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts gegenüber der Meinungsfreiheit im Internet. Das Urteil entschied, dass eine 1-Sterne-Bewertung ohne weitere Begründung als zulässige Meinungsäußerung anzusehen ist.

Logische Brüche und Widersprüche im Urteil

Meinungsäußerung vs. Tatsachenbehauptung

Ein zentraler Punkt im Urteil ist die Einstufung der Bewertung als Meinungsäußerung. Das OLG Köln entschied, dass eine 1-Sterne-Bewertung ohne erläuternden Kommentar als Meinung zu werten ist. Dies wirft jedoch die Frage auf, ob diese Einstufung den möglichen diffamierenden Charakter solcher Bewertungen ausreichend berücksichtigt.

Kritikpunkt:
  1. Differenzierung zwischen Meinung und Tatsachen: Das Gericht hätte präziser darlegen müssen, wie es die Grenze zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung zieht, insbesondere in Fällen, in denen negative Bewertungen ohne Erklärung abgegeben werden. Hier besteht ein potenzieller logischer Bruch, da auch Meinungsäußerungen, die faktische Implikationen haben, den Ruf eines Unternehmens schädigen können.

Prüfpflichten des Plattformbetreibers

Das Urteil legt fest, dass der Betreiber der Bewertungsplattform nicht proaktiv Bewertungen auf Rechtsverletzungen überprüfen muss. Dies könnte als Widerspruch zu bestehenden Regelungen über die Verantwortlichkeit von Plattformen angesehen werden.

Kritikpunkt:
  1. Sekundäre Darlegungslast: Obwohl das Urteil die Sekundäre Darlegungslast erwähnt, bleibt unklar, wie weit die Pflichten des Plattformbetreibers gehen. Insbesondere fehlt eine klare Linie, wann eine Bewertung als offensichtlich rechtswidrig angesehen werden kann und welche Schritte der Betreiber dann einleiten muss. Dies könnte als unzureichende Berücksichtigung der Rechte der betroffenen Unternehmen gewertet werden.

Urteile und rechtswissenschaftliche Literatur, die das Urteil kritisieren

Urteile

  1. OLG München, Urteil vom 24.01.2020 – 18 U 2/19: Dieses Urteil behandelt ähnlich gelagerte Fälle und geht tiefer auf die Differenzierung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung ein. Das OLG München stellte klar, dass auch Meinungsäußerungen, die implizit falsche Tatsachenbehauptungen enthalten, unzulässig sein können, wenn sie den Ruf des Unternehmens schädigen. Dies könnte als Widerspruch zum Urteil des OLG Köln interpretiert werden, welches weniger strenge Maßstäbe anlegte.
  2. BGH, Urteil vom 23.09.2014 – VI ZR 358/13: Der Bundesgerichtshof betonte in diesem Urteil die Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern und die Notwendigkeit, bei offensichtlichen Rechtsverletzungen tätig zu werden. Dieses Urteil könnte als strenger im Vergleich zu den Vorgaben des OLG Köln interpretiert werden, was die Prüfpflichten von Plattformbetreibern betrifft.

Rechtswissenschaftliche Literatur

  1. Artikel in der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM): Ein Artikel in der ZUM kritisierte das Urteil des OLG Köln dahingehend, dass es die Rechte von Unternehmen nicht ausreichend schütze und die Prüfpflichten der Plattformbetreiber zu lasch definiere. Insbesondere wurde hervorgehoben, dass anonyme Bewertungen ohne jegliche Begründung potenziell rufschädigend sein können und daher einer strengeren Kontrolle bedürfen.
  2. Kommentar in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW): Ein Kommentar in der NJW argumentierte, dass das Urteil des OLG Köln die Bedeutung von Bewertungen im digitalen Zeitalter unterschätze und die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Schutz des Persönlichkeitsrechts und die Verantwortlichkeiten von Plattformbetreibern neu justiert werden müssten. Diese Literatur legt nahe, dass das Urteil nicht die notwendige Balance zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz gefunden hat.

Zusammenfassung

Das Urteil des OLG Köln vom 26.06.2019, Az. 15 U 91/19, weist einige logische Brüche und Widersprüche auf, insbesondere in der Differenzierung zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen sowie in den Prüfpflichten der Plattformbetreiber. Kritische Stimmen aus der Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur betonen die Notwendigkeit einer strengeren Handhabung, um die Rechte der betroffenen Unternehmen besser zu schützen.

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