Wann haftet der Portalbetreiber für negative Bewertungen?

Das Internet hat die Welt der Bewertungen revolutioniert. Wo früher Mundpropaganda und persönliche Empfehlungen dominierten, können Kunden heute auf einer Vielzahl von Portalen ihre Meinungen und Erfahrungen teilen. Doch nicht alle Bewertungen fallen positiv aus, und negative Rezensionen können erhebliche Auswirkungen auf Geschäfte und Einzelpersonen haben. In diesem Zusammenhang stellt sich oft die Frage: Wann haftet der Portalbetreiber für negative Bewertungen?

Ich bin ein Fachanwalt für IT-Recht und möchte Ihnen in diesem Blogbeitrag eine ausführliche rechtliche Einschätzung geben. Dabei erläutere ich, unter welchen Bedingungen ein Portalbetreiber haftbar gemacht werden kann und welche rechtlichen Maßnahmen Betroffene ergreifen können.

Update 18.06.2024 – Digital Services Act (DSA) löst Telemediengesetz (TMG) ab

Mit dem Inkrafttreten des neuen Telekommunikations-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) am 1. Dezember 2021 wurde das bisherige Telemediengesetz (TMG) abgelöst. Diese Neuregelung bringt wichtige Veränderungen für Portalbetreiber mit sich, insbesondere im Hinblick auf negative Bewertungen. Während im Rahmen des TMG meist die Haftungsprivilegien für Hostprovider im Vordergrund standen, hat das TTDSG klarere Regelungen zur Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern eingeführt. Nach der neuen Rechtslage müssen Portalbetreiber nun sicherstellen, dass rechtswidrige Inhalte nach Kenntnisnahme unverzüglich entfernt werden. Sie sind verpflichtet, ein effektives Beschwerde- und Abhilfeverfahren anzubieten, damit Betroffene unangemessene Inhalte schnell und unkompliziert melden können. Wird dem nicht entsprechend und rechtzeitig Abhilfe geschaffen, droht den Betreibern eine Haftung für die schädigenden Inhalte, was ihre Verantwortung im Vergleich zur früheren Rechtslage erheblich verschärft.

Der Digital Services Act (DSA) spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle im Kontext der Haftung von Portalbetreibern für negative Bewertungen. Ergänzend zum TTDSG bringt der DSA weitreichende Änderungen und spezifischere Verpflichtungen auf europäischer Ebene mit sich, die für Betreiber digitaler Dienste von essentieller Bedeutung sind.

Im Rahmen des Digital Services Act, der im November 2022 in Kraft trat, werden die Verantwortlichkeiten von Plattformbetreibern weiter konkretisiert und verschärft. Unter anderem müssen Betreiber, die als „VLOP“ (Very Large Online Platforms) eingestuft werden, strenge Transparenzanforderungen erfüllen und proaktive Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Inhalte ergreifen. Das bedeutet, sie müssen Mechanismen zur Erkennung und Entfernung schädlicher Bewertungen einführen sowie regelmäßig Berichte über ihre Content-Moderation veröffentlichen. Bei Nichteinhaltung drohen erhebliche Bußgelder, die bis zu 6% des globalen Jahresumsatzes des Unternehmens betragen können. Diese Regeln zielen darauf ab, eine sicherere und verantwortungsvollere Online-Umgebung zu schaffen und bieten den Nutzern ein höheres Maß an Schutz gegen unfaire oder schädliche Bewertungen. Die Umsetzung des DSA stellt somit eine bedeutende Weiterentwicklung dar, die die Pflichten und Haftungsrisiken für Portalbetreiber deutlich erweitert.

Haftet der Portalbetreiber für negative Bewertungen: Ein allgemeiner Überblick

Die Störerhaftung

Im deutschen Recht existiert der Begriff der Störerhaftung. Der Portalbetreiber kann als „Störer“ angesehen werden, wenn er wissentlich oder unwissentlich die Verbreitung rechtswidriger Inhalte ermöglicht. Jedoch muss er erst ab Kenntnis der rechtswidrigen Inhalte tätig werden und diese entfernen. Das bedeutet, es besteht grundsätzlich keine allgemeine Überwachungspflicht für den Portalbetreiber.

Haftet der Portalbetreiber für negative Bewertungen? Die Prüfpflichten

Auch wenn eine allgemeine Überwachungspflicht nicht besteht, können unter bestimmten Umständen sogenannte Prüfpflichten entstehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Portalbetreiber konkrete Anhaltspunkte für rechtswidrige Inhalte vorliegen. Dann ist er verpflichtet, die beanstandeten Inhalte zu prüfen und gegebenenfalls zu entfernen.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit

Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber nicht absolut. Sie findet ihre Grenzen im Persönlichkeitsrecht der bewerteten Personen oder Unternehmen. Wenn eine Bewertung die Grenze zur Schmähkritik, üblen Nachrede oder Verleumdung überschreitet, kann der Portalbetreiber in die Pflicht genommen werden.

Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit

Die Beurteilung, ob eine negative Bewertung rechtswidrig ist, fällt oft nicht leicht und hängt von der Einzelfallbetrachtung ab. Hier spielt die Rechtsprechung eine entscheidende Rolle. In der Regel werden Gerichte prüfen, ob eine Bewertung objektiv nachvollziehbare Kritik darstellt oder lediglich darauf abzielt, den Bewerteten herabzuwürdigen.

Maßnahmen für Betroffene

Der erste Schritt: Kontaktaufnahme mit dem Portalbetreiber

Betroffene sollten im Falle einer negativen, rechtswidrigen Bewertung zuerst den Portalbetreiber kontaktieren und auf die Entfernung der beanstandeten Inhalte hinwirken. Dies ist oft der schnellste und unkomplizierteste Weg.

Rechtliche Schritte

Wenn der Portalbetreiber nicht reagiert oder die Entfernung verweigert, kann der Betroffene rechtliche Schritte einleiten. Zu den Optionen gehören Unterlassungsansprüche und, in schweren Fällen, auch Schadensersatzansprüche.

Haftet der Portalbetreiber für negative Bewertungen? Praktische Tipps für Portalbetreiber

Proaktive Maßnahmen

Auch wenn keine allgemeine Überwachungspflicht besteht, kann es sinnvoll sein, proaktive Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer Haftung zu minimieren. Dazu gehören unter anderem die Implementierung von Melde- und Überprüfungsmechanismen.

Rechtsschutz

Jeder Portalbetreiber sollte eine Rechtsschutzversicherung in Betracht ziehen, die auch den Bereich der Haftung für Inhalte abdeckt. Dies kann im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung vor erheblichen Kosten schützen.

Die Rolle des Telemediengesetzes (TMG) in der Haftungsfrage

§ 7 Allgemeine Grundsätze

Das Telemediengesetz (TMG) regelt in Deutschland die Haftung von Diensteanbietern für ihre Online-Angebote. Gemäß § 7 TMG sind Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, verantwortlich. Doch wie sieht es mit fremden Informationen aus, wie sie in Bewertungen vorkommen?

§ 10 TMG und die Haftungsprivilegierung

Besondere Beachtung verdient § 10 TMG, der unter bestimmten Bedingungen eine Haftungsprivilegierung für Portalbetreiber vorsieht. Ein Diensteanbieter ist demnach nicht verpflichtet, die von ihm übermittelten oder gespeicherten Informationen Dritter zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Erst bei Kenntnis einer konkreten Rechtsverletzung ist der Portalbetreiber zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung der entsprechenden Informationen verpflichtet.

Was bedeuten diese Gesetze für die Praxis?

Sofortiges Handeln bei Kenntnis

Das TMG stellt klar, dass Portalbetreiber in dem Moment, in dem sie von einer Rechtsverletzung erfahren, handeln müssen. Das bedeutet, dass die rechtswidrige Bewertung umgehend gelöscht oder gesperrt werden muss. Unterlässt der Portalbetreiber diese Maßnahme, kann dies zu einer Haftung führen.

Keine „Gefällt mir“-Buttons oder ähnliche Funktionen

Manche Portale bieten Funktionen an, die es anderen Nutzern ermöglichen, Bewertungen zu liken oder zu teilen. Dies kann problematisch sein, da eine solche Funktion als Billigung der jeweiligen Inhalte interpretiert werden könnte. Daher ist es ratsam, solche Funktionen kritisch zu betrachten und im Zweifelsfall darauf zu verzichten, um die Haftungsrisiken zu minimieren.

Sonderfall: Anonyme Bewertungen

Anonymität und Haftung

Oft tauchen rechtlich problematische Bewertungen in anonymer Form auf. Für den Portalbetreiber kann dies eine Herausforderung darstellen, da die Anonymität des Bewertenden den direkten rechtlichen Anspruch des Betroffenen gegenüber dem Verfasser erschwert. In solchen Fällen könnte die Haftung des Portalbetreibers noch eher in Betracht kommen, insbesondere wenn er nach Kenntnis der rechtswidrigen Inhalte nicht tätig wird.

Verifizierung von Nutzern

Einige Plattformen haben bereits Schritte unternommen, um die Anonymität zu reduzieren, indem sie eine Nutzerverifizierung einführen. Dies kann zwar den administrativen Aufwand erhöhen, jedoch könnte es die Haftungsrisiken für den Portalbetreiber verringern, da dadurch die Qualität der Bewertungen tendenziell steigt und problematische Inhalte reduziert werden.

Rechtlicher Beistand: Wann ist er notwendig?

Für Portalbetreiber

Als Fachanwalt für IT-Recht empfehle ich Portalbetreibern, sich frühzeitig rechtlichen Beistand zu holen. Die rechtliche Landschaft in Bezug auf Online-Bewertungen ist komplex und ständig im Wandel. Eine rechtliche Beratung kann nicht nur dabei helfen, bestehende Risiken zu identifizieren, sondern auch präventive Maßnahmen zu entwickeln.

Für Betroffene

Auch wenn Sie von einer negativen, potenziell rechtswidrigen Bewertung betroffen sind, sollten Sie nicht zögern, einen Anwalt zu konsultieren. Dies ist besonders wichtig, wenn der Portalbetreiber auf Ihre Beschwerde nicht reagiert oder die Bewertung nicht entfernt. Nur durch professionelle rechtliche Beratung können Sie sicher sein, alle Möglichkeiten und Risiken vollständig zu verstehen und die beste Strategie für Ihren Einzelfall zu entwickeln.

Fazit: Haftet der Portalbetreiber für negative Bewertungen?

Die Frage, wann ein Portalbetreiber für negative Bewertungen haftet, ist komplex und von vielen Faktoren abhängig. Als Fachanwalt für IT-Recht rate ich sowohl Portalbetreibern als auch Betroffenen, sich im Zweifel rechtlich beraten zu lassen. Nur so können Sie sicherstellen, dass Sie alle rechtlichen Möglichkeiten und Risiken kennen und entsprechend handeln können.

Fachanwalt IT-Recht – Haftung eines Portalbetreiber für negative Bewertungen klären

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Rechtsanwalt Thomas Feil
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