in der heutigen digitalen Arbeitswelt sind Arbeitgeberbewertungsplattformen wie Kununukununu ist eine Online-Plattform, die es Arbeitnehmern und B... Mehr, GlassdoorGlassdoor ist eine Website, die eine umfassende Datenbank mi... Mehr und Indeed zu einer festen Größe geworden. Sie versprechen Transparenz für Jobsuchende und bieten (ehemaligen) Mitarbeitern ein Ventil für Lob und Kritik. Doch so wertvoll authentisches Feedback
Feedback in Zusammenhang mit Bewertungen bezieht sich au... Mehr sein kann, so konfliktträchtig wird es, wenn sich Unternehmen rufschädigenden oder unwahren Behauptungen ausgesetzt sehen. Die Frage nach der Identität des Bewertenden und der Löschung von Einträgen führt regelmäßig zu juristischen Auseinandersetzungen. Ein besonders aufschlussreiches Urteil in diesem Kontext stammt vom Oberlandesgericht (OLG) Dresden (Az. 4 U 744/24), das wichtige Leitplanken für den Umgang mit anonymen BewertungenBewertungen sind Rückmeldungen oder Beurteilungen von Produ... Mehr aufzeigt. Als Ihr Fachanwalt für IT-Recht möchte ich dieses Urteil beleuchten und Ihnen die Implikationen sowie praxisnahe Handlungsempfehlungen an die Hand geben.
Dieser Beitrag wird sich eingehend mit den folgenden Aspekten beschäftigen:
- Die Hintergründe des Falls vor dem OLG Dresden.
- Die Kernaussagen und die juristische Begründung des Gerichts.
- Die Auswirkungen des Urteils auf Arbeitgeber und bewertende Personen.
- Die Rolle der Anonymität und die Prüfpflichten von Plattformen.
- Konkrete Ratschläge für den Umgang mit Online-Bewertungen.
Schnallen Sie sich an, es wird ein tiefer Einblick in die juristische Materie, gewürzt mit praktischen Tipps für Ihren Unternehmensalltag.
Inhaltsverzeichnis
- Die digitale Prangerwirkung? Arbeitgeberbewertungen im Spannungsfeld der Interessen
- Der Fall vor dem OLG Dresden (Az. 4 U 744/24): Worum ging es konkret?
- Die Entscheidung des OLG Dresden: Keine Löschung, keine Klarnamen – Die Begründung im Detail
- Rechtliche Einordnung und Bedeutung des Urteils (aus Sicht des IT-Fachanwalts)
- Praxistipps für Arbeitgeber: Souveräner Umgang mit Kritik auf Kununu & Co.
- Praxistipps für (ehemalige) Mitarbeiter: Konstruktiv und rechtssicher bewerten
- Fazit und Ausblick: Die Balance zwischen Transparenz und Schutzrechten
- Kununu-Urteil OLG Dresden – Fachanwalt IT-Recht hilft bundesweit!
Die digitale Prangerwirkung? Arbeitgeberbewertungen im Spannungsfeld der Interessen
Bevor wir in die Details des Dresdner Urteils eintauchen, vergegenwärtigen wir uns kurz die Ausgangslage. Für Unternehmen ist der gute Ruf ein unschätzbares Kapital. Negative Bewertungen, insbesondere wenn sie ungerechtfertigt oder gar falsch sind, können nicht nur die Mitarbeitersuche erschweren, sondern auch Kunden abschrecken und das Unternehmensimage nachhaltig beschädigen. Der Wunsch, sich gegen solche Angriffe zur Wehr zu setzen, ist daher mehr als verständlich.
Auf der anderen Seite steht das Recht auf freie MeinungsäußerungEine Meinungsäußerung ist die Verbalisierung oder schriftl... Mehr (Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz), das auch kritische und pointierte Äußerungen schützt. Mitarbeiter und insbesondere ehemalige Mitarbeiter sollen ihre Erfahrungen teilen können – dies dient der Transparenz und kann anderen bei der Wahl ihres Arbeitgebers helfen. Viele scheuen jedoch aus Angst vor Repressalien davor zurück, unter ihrem Klarnamen zu bewerten. Die Anonymität, die Plattformen wie Kununu gewähren, ist hier oft eine Grundvoraussetzung für ehrliches Feedback.
Plattformen wie Kununu agieren als Intermediäre. Sie stellen die technische Infrastruktur bereit, sind aber nicht Urheber der Bewertungen. Ihre Haftung und ihre Pflichten sind seit Jahren Gegenstand juristischer Diskussionen und wurden durch diverse Gesetze und Urteile präzisiert, vom Telemediengesetz (TMG) bis hin zum neueren Digital Services Act (DSA) auf EU-Ebene.
Der Fall vor dem OLG Dresden (Az. 4 U 744/24): Worum ging es konkret?
Im Zentrum der Entscheidung des OLG Dresden stand eine Auseinandersetzung zwischen einem Logistikunternehmen (Klägerin) und der Betreibergesellschaft von Kununu (Beklagte). Stein des Anstoßes war eine bereits im Jahr 2015 veröffentlichte Bewertung mit dem Titel „Schlechtester Arbeitgeber aller Zeiten“. Der anonyme Verfasser, der angab, bis 2014 als ehemaliger Mitarbeiter in der Administration tätig gewesen zu sein, bewertete das Unternehmen mit lediglich 1,9 von 5 möglichen Sternen.
Die Klägerin sah sich durch diese Bewertung in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt und befürchtete eine Rufschädigung. Sie argumentierte unter anderem, die Bewertung könnte sich auf eine mittlerweile geschlossene Niederlassung beziehen und somit ein falsches Bild auf ihre weiterhin aktiven Standorte werfen. Sie forderte von Kununu die Löschung des Eintrags und, um die Berechtigung der Bewertung prüfen zu können, die Preisgabe der Identität des Verfassers. Kununu kam dem nicht vollumfänglich nach, schlug jedoch vor, für den geschlossenen Standort eine sogenannte „Lock Page“ einzurichten, um Missverständnissen vorzubeugen.
Das LandgerichtEin Landgericht ist ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbar... Mehr Leipzig hatte in erster Instanz noch zugunsten des Unternehmens entschieden. Das OLG Dresden hob diese Entscheidung jedoch auf und wies die Klage des Logistikunternehmens ab.
Die Entscheidung des OLG Dresden: Keine Löschung, keine Klarnamen – Die Begründung im Detail
Die Richter am OLG Dresden vollzogen eine sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Interessen und legten detailliert dar, warum Kununu im konkreten Fall weder zur Löschung der Bewertung noch zur Offenlegung der Nutzerdaten verpflichtet war.
1. Prüfungspflichten von Kununu und die sekundäre Darlegungslast
Ein Kernpunkt der Entscheidung betrifft die sogenannten Prüfungspflichten der Plattform. Grundsätzlich haften Plattformen wie Kununu nicht für fremde Inhalte, solange sie keine positive Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung haben. Werden sie jedoch auf eine potenziell rechtswidrige Bewertung hingewiesen (Notice-and-Takedown-Verfahren), müssen sie diese prüfen und gegebenenfalls entfernen.
Das OLG Dresden stellte fest, dass die Interessen eines Unternehmens dann überwiegen, wenn eine Bewertung jeder tatsächlichen Grundlage, sprich einem authentischen Kontakt oder Beschäftigungsverhältnis, entbehrt. Wird also substantiiert bestritten, dass der Bewerter überhaupt jemals für das Unternehmen tätig war oder den behaupteten Kontakt hatte, muss die Plattform dem nachgehen.
Hier kommt die sogenannte sekundäre Darlegungslast ins Spiel. Kann das betroffene Unternehmen plausibel machen, dass der Bewerter möglicherweise nie bei ihm beschäftigt war (z.B. weil der Name in den Personalakten nicht auftaucht oder die beschriebene Tätigkeit/Abteilung nicht existiert), trifft die Plattform eine Pflicht, beim Bewerter nachzuforschen und Belege für das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis einzuholen.
Im vorliegenden Fall hatte Kununu genau dies getan. Die Plattform legte dem Gericht anonymisierte Unterlagen vor, darunter einen Arbeitsvertrag und einen Berufsausbildungsvertrag, die auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis des Bewertenden mit dem klagenden Unternehmen hindeuteten. Damit, so das OLG, sei Kununu seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen und habe ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Bewertung nicht völlig aus der Luft gegriffen war. Es oblag nun wiederum dem Unternehmen, diese Indizien substanziiert zu erschüttern, was ihm laut Gericht nicht gelang.
2. Schutz der Anonymität des Bewertenden
Ein entscheidender Aspekt war die Frage, ob Kununu verpflichtet gewesen wäre, die Klarnamen der bewertenden Person preiszugeben. Das OLG Dresden verneinte dies im konkreten Fall. Die Richter betonten, dass eine Plattform nicht uneingeschränkt zur Herausgabe von Nutzerdaten verpflichtet ist, nur weil ein Unternehmen eine Bewertung als negativ empfindet. Die anonymisierten Nachweise (geschwärzter Arbeitsvertrag etc.) wurden als ausreichend erachtet, um die Plausibilität eines Kontakts zu belegen, ohne die Identität vollständig preiszugeben.
Dieser Schutz der Anonymität ist ein hohes Gut und fundamental für die Funktionsweise von Bewertungsportalen. Ohne ihn würden viele Nutzer aus Sorge vor Nachteilen von ehrlichem, auch kritischem Feedback absehen. Eine Pflicht zur Offenlegung der Identität kommt in der Regel nur bei schwerwiegenden Rechtsverstößen in Betracht, etwa bei strafrechtlich relevanten Äußerungen (Verleumdung, üble Nachrede) oder wenn es zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche unabweisbar notwendig ist und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Eine bloß negative, aber von der Meinungsfreiheit gedeckte Bewertung rechtfertigt dies in der Regel nicht.
3. Abwägung der Interessen: Meinungsfreiheit vs. Unternehmensschutz
Letztlich lief die Entscheidung des OLG Dresden auf eine Güterabwägung hinaus: das Recht des Unternehmens auf Schutz seines Rufs und seiner wirtschaftlichen Interessen (abgeleitet aus dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) gegenüber dem Recht des Bewertenden auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und dem Interesse der Öffentlichkeit an Information.
Das Gericht räumte der Meinungsfreiheit im konkreten Fall einen hohen Stellenwert ein. Solange die Bewertung auf einem tatsächlichen (ehemaligen) Kontakt beruht und sich im Rahmen zulässiger Meinungsäußerungen oder wahrer Tatsachenbehauptungen bewegt – auch wenn diese subjektiv und kritisch sind – muss sie vom Unternehmen grundsätzlich hingenommen werden. Die Schwelle zur unzulässigen Schmähkritik oder zur unwahren TatsachenbehauptungEine Tatsachenbehauptung ist eine Aussage, die objektiv übe... Mehr war nach Ansicht des Gerichts hier nicht überschritten. Auch der Umstand, dass die Bewertung sehr negativ ausfiel („schlechtester Arbeitgeber aller Zeiten“), macht sie nicht per se rechtswidrig, solange sie als subjektives Werturteil erkennbar ist und auf einem wahren Tatsachenkern beruht.
Das Gericht anerkannte zwar, dass Kununu einen Fehler bei der Zuordnung der Bewertung zu einem bestimmten Standort gemacht hatte, dieser wurde jedoch korrigiert. Die bloße Möglichkeit, dass die Bewertung sich auf einen geschlossenen Standort beziehen könnte, reichte nicht aus, um einen Löschungsanspruch zu begründen, zumal Kununu die Existenz eines früheren Beschäftigungsverhältnisses plausibel darlegen konnte.
Rechtliche Einordnung und Bedeutung des Urteils (aus Sicht des IT-Fachanwalts)
Das Urteil des OLG Dresden (Az. 4 U 744/24) ist kein revolutionärer Einzelfall, sondern fügt sich in eine Reihe von Entscheidungen ein, die die Balance zwischen Meinungsfreiheit und Unternehmensschutz auf Bewertungsplattformen ausloten. Es bestätigt jedoch einige wichtige Grundsätze und gibt wertvolle Hinweise für die Praxis.
Was bedeutet das für Arbeitgeber?
- Höhere Hürden für Löschung und Auskunft: Arbeitgeber müssen verstehen, dass nicht jede unliebsame oder als unfair empfundene Bewertung automatisch einen Löschungs- oder Auskunftsanspruch gegen die Plattform begründet. Insbesondere pauschale Behauptungen, eine Bewertung sei falsch, ohne konkrete Anhaltspunkte, werden nicht ausreichen.
- Die Bedeutung des Prüfverfahrens: Das Urteil unterstreicht die Wichtigkeit des von Kununu und ähnlichen Plattformen etablierten Prüfverfahrens. Arbeitgeber müssen dieses Verfahren präzise nutzen und ihre Beanstandungen detailliert und nachvollziehbar begründen.
- Substanziiertes Bestreiten ist entscheidend: Will ein Unternehmen geltend machen, eine Bewertung stamme nicht von einem echten (Ex-)Mitarbeiter, muss es dies substanziiert darlegen. Einfach nur zu sagen „Wir kennen die Person nicht“ genügt oft nicht, wenn die Plattform Indizien für einen Kontakt vorlegt. Es muss dargelegt werden, warum der behauptete Kontakt nicht stattgefunden haben kann.
- Fokus auf Rechtsverletzungen: Die besten Chancen auf Löschung bestehen bei klar rechtswidrigen Inhalten: nachweislich unwahre Tatsachenbehauptungen, Schmähkritik, Beleidigungen, Bedrohungen oder die Offenlegung von Betriebsgeheimnissen. Subjektive, aber harsche Kritik ist oft hinzunehmen.
- Anonymität bleibt starker Schutz: Die direkte Identifizierung des Bewertenden über die Plattform bleibt die Ausnahme und ist an hohe Hürden geknüpft.
Was bedeutet das für bewertende (Ex-)Mitarbeiter?
- Anonymität ist geschützt, aber nicht absolut: Das Urteil stärkt den Schutz anonymer Bewertungen, sofern sie auf echten Erfahrungen beruhen. Dennoch ist Anonymität kein Freibrief für Rechtsverstöße.
- Wahrheitspflicht bei Tatsachen: Behaupten Sie nur Fakten, die Sie belegen können oder die der Wahrheit entsprechen.
- Meinungen als solche kennzeichnen: Drücken Sie subjektive Eindrücke und Werturteile klar als solche aus.
- Sachlich bleiben: Auch bei großer Verärgerung sollten Schmähkritik, Formalbeleidigungen oder reine Hetze vermieden werden. Konzentrieren Sie sich auf sachliche Aspekte Ihrer Erfahrung.
- Keine Betriebsgeheimnisse: Achten Sie darauf, keine vertraulichen Informationen oder Geschäftsgeheimnisse preiszugeben.
Die Rolle von Anonymität im Netz und die Grenzen
Anonymität im Internet ist ein zweischneidiges Schwert. Sie ermöglicht freie Meinungsäußerung ohne Furcht vor Repressalien, kann aber auch Missbrauch Tür und Tor öffnen. Gerichte versuchen hier, eine Balance zu finden. Das OLG Dresden hat klargestellt, dass im Kontext von Arbeitgeberbewertungen die Plattform ihrer Pflicht zur Überprüfung einer Beschwerde nachkommen kann, indem sie sich anonymisierte Nachweise vom Bewerter vorlegen lässt. Dies schützt einerseits die Identität des Nutzers und gibt andererseits dem Unternehmen eine gewisse Sicherheit, dass die Bewertung nicht frei erfunden ist. Dieser Ansatz ist pragmatisch und interessengerecht.
Vergleich mit anderer Rechtsprechung und dem Prüfverfahren von Kununu
Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der ebenfalls hohe Anforderungen an die Offenlegung von Nutzerdaten stellt (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2014, Az. VI ZR 345/13 – Hotelbewertungsportal). Auch der BGH hat betont, dass Plattformen erst bei einem substantiierten Hinweis auf eine Rechtsverletzung tätig werden müssen und dann im Rahmen eines Prüfverfahrens den Bewerter kontaktieren und zur Stellungnahme auffordern können.
Kununu selbst hat ein mehrstufiges Prüfverfahren implementiert. Beanstandet ein Unternehmen eine Bewertung, wird der Verfasser kontaktiert und um einen Nachweis des Beschäftigungsverhältnisses sowie ggf. um eine Stellungnahme zu den konkreten Beanstandungspunkten gebeten. Legt der Verfasser plausible Nachweise (z.B. geschwärzter Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnung) vor und sind die Äußerungen als Meinungsäußerung oder wahre Tatsache zu werten, bleibt die Bewertung in der Regel online. Das OLG Dresden hat dieses Vorgehen im Ergebnis gebilligt.
Auswirkungen auf die Plattformhaftung (Störerhaftung, DSA)
Das Urteil präzisiert die Pflichten von Host-Providern wie Kununu. Es wird deutlich, dass von ihnen keine Generalüberwachungspflicht oder proaktive Überprüfung aller Bewertungen verlangt wird. Sie müssen jedoch auf konkrete und substanziierte Beschwerden reagieren. Die Art und Weise, wie Kununu durch Einholung anonymisierter Belege die Authentizität einer Bewertung plausibilisiert, wurde als ausreichend erachtet, um einer Störerhaftung zu entgehen.
Auch der Digital Services Act (DSA) der EU, der seit Februar 2024 vollumfänglich gilt, zielt auf eine stärkere Verantwortung von Online-Plattformen ab, ohne jedoch das grundlegende Prinzip der Haftungsprivilegierung für fremde Inhalte bei bloßer Hosting-Tätigkeit aufzugeben. Die Verfahren zur Meldung und Abhilfe (Notice and Action) werden weiter standardisiert. Das Vorgehen, wie es das OLG Dresden im Kununu-Fall bewertet hat, dürfte auch unter dem DSA als ein adäquater Mechanismus zur Bearbeitung von Beschwerden angesehen werden.
Praxistipps für Arbeitgeber: Souveräner Umgang mit Kritik auf Kununu & Co.
Als Fachanwalt für IT-Recht empfehle ich Unternehmen einen strategischen und besonnenen Umgang mit Arbeitgeberbewertungen:
- Regelmäßiges Monitoring: Überwachen Sie aktiv Ihr Unternehmensprofil auf Kununu und anderen relevanten Plattformen. Richten Sie Benachrichtigungen ein, um zeitnah von neuen Bewertungen zu erfahren.
- Sachliche Analyse: Nicht jede negative Bewertung ist ein Weltuntergang. Analysieren Sie die Kritikpunkte sachlich. Ist etwas Wahres dran? Gibt es Verbesserungspotenzial im Unternehmen?
- Professionell reagieren (ggf. öffentlich):
- Positive Bewertungen: Bedanken Sie sich für positives Feedback. Das zeigt Wertschätzung.
- Konstruktive Kritik: Wenn die Kritik berechtigt ist, bedanken Sie sich auch hierfür und zeigen Sie auf, dass Sie die Punkte ernst nehmen und ggf. bereits Maßnahmen ergriffen haben oder prüfen. Eine öffentliche, professionelle Antwort kann das Image sogar verbessern.
- Unsachliche oder falsche Bewertungen: Hier ist Vorsicht geboten. Eine emotionale öffentliche Gegenreaktion kann schaden. Prüfen Sie zunächst intern die Fakten.
- Das Beanstandungsverfahren bei Kununu nutzen:
- Konkrete Beanstandung: Wenn Sie eine Bewertung für rechtswidrig halten (z.B. unwahre Tatsachenbehauptung, Schmähkritik), nutzen Sie das offizielle Beanstandungsverfahren der Plattform.
- Detaillierte Begründung: Erläutern Sie präzise, welche konkrete Aussage Sie warum für rechtswidrig halten. Legen Sie ggf. Gegenbeweise vor. Pauschale Vorwürfe sind nutzlos.
- Fokus auf Fakten: Wenn Sie bestreiten, dass der Bewerter je bei Ihnen beschäftigt war, legen Sie dies detailliert dar (z.B. „In der genannten Abteilung/Zeitraum gab es keine Person mit den beschriebenen Tätigkeiten/Merkmalen.“).
- Beweise sichern: Dokumentieren Sie die beanstandete Bewertung (Screenshot mit URL und Datum) sowie Ihre gesamte Korrespondenz mit der Plattform sorgfältig.
- Grenzen der Duldungspflicht erkennen – Anwaltliche Beratung:
- Wenn die Plattform Ihrer Beanstandung trotz klarer Rechtswidrigkeit nicht nachkommt.
- Bei systematischen Verleumdungskampagnen.
- Wenn unwahre Tatsachenbehauptungen Ihren Ruf massiv schädigen und nicht entfernt werden.
- Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann die Erfolgsaussichten eines Vorgehens bewerten und Sie im Verfahren gegen die Plattform oder – falls die Identität bekannt wird und der Aufwand gerechtfertigt ist – gegen den Bewerter vertreten.
- Employer Branding aktiv gestalten: Die beste Verteidigung ist ein guter Ruf. Fördern Sie eine positive Unternehmenskultur und ermutigen Sie zufriedene Mitarbeiter aktiv (aber ohne Druck!), authentische und positive Bewertungen abzugeben. Dies relativiert einzelne negative Stimmen.
Praxistipps für (ehemalige) Mitarbeiter: Konstruktiv und rechtssicher bewerten
Auch für Bewertende gibt es Spielregeln, um die eigene Meinungsfreiheit verantwortungsvoll zu nutzen:
- Bleiben Sie bei der Wahrheit: Tatsachenbehauptungen müssen nachweisbar korrekt sein. Erfinden Sie nichts.
- Unterscheiden Sie zwischen Tatsachen und Meinungen: Äußern Sie Ihre persönliche Meinung („Ich empfand die Atmosphäre als…“) und stellen Sie diese nicht als allgemeingültige Tatsache dar („Die Atmosphäre ist immer…“).
- Sachlichkeit vor Emotion: Auch wenn Sie verärgert sind, vermeiden Sie Beleidigungen, Schimpfwörter oder reine Schmähkritik (bei der nicht mehr die Sache, sondern die Diffamierung der Person/des Unternehmens im Vordergrund steht).
- Konkret statt pauschal: Beschreiben Sie konkrete Situationen oder Aspekte, anstatt pauschal alles schlechtzureden. Das ist für Leser hilfreicher.
- Keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse: Geben Sie keine vertraulichen internen Informationen preis.
- Beachten Sie die Nutzungsbedingungen der Plattform: Jede Plattform hat eigene Richtlinien.
Fazit und Ausblick: Die Balance zwischen Transparenz und Schutzrechten
Das Urteil des OLG Dresden (Az. 4 U 744/24) verdeutlicht einmal mehr die komplexe Abwägung, die Gerichte im Bereich der Online-Bewertungen vornehmen müssen. Es stärkt die Position von Plattformen wie Kununu, wenn diese ihren Prüfpflichten nach einer Beschwerde sorgfältig nachkommen und die Authentizität einer Bewertung zumindest plausibel machen können – auch unter Wahrung der Anonymität des Bewertenden durch geschwärzte Nachweise.
Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie eine gewisse Robustheit gegenüber Kritik entwickeln und ihre Energie vor allem auf die Bekämpfung klar rechtswidriger Inhalte konzentrieren müssen. Der Weg führt über ein präzises und gut dokumentiertes Beanstandungsverfahren. Die Hoffnung auf eine schnelle Preisgabe von Nutzerdaten wird in den meisten Fällen enttäuscht werden, solange keine schwerwiegenden Rechtsverstöße im Raum stehen.
Die Digitalisierung der Arbeitswelt und die damit einhergehende Transparenz durch Bewertungsplattformen sind unumkehrbar. Statt diese Entwicklung nur als Bedrohung zu sehen, sollten Unternehmen sie auch als Chance begreifen: als Quelle für ehrliches Feedback und als Ansporn, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und dies auch nach außen zu tragen.
Die juristische Landschaft bleibt dynamisch, insbesondere durch neue Regelungen wie den Digital Services Act. Es ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung die Pflichten und Verantwortlichkeiten von Plattformen und Nutzern weiter konkretisieren wird. Als Ihr Partner im IT-Recht bleiben wir für Sie am Puls der Zeit und beraten Sie kompetent und praxisnah in allen Fragen rund um Online-Reputation und digitale Rechtskonflikte.